Stark gegen Stress
Hochstapler-Selbstkonzept, Seite 102).
HINWEIS Wenn man diesen Gedanken weiterspinnt, so zeigt sich, dass ein Grossteil von Stress letztlich sozialer Stress ist. Es stresst, wenn man Angst hat, den Ansprüchen anderer nicht zu genügen, andere zu enttäuschen, blossgestellt und gedemütigt zu werden, von anderen nicht mehr gemocht oder geliebt zu werden, verlassen zu werden. Je sicherer gebunden eine Person ist, je liebesfähiger sie folglich ist, desto besser ist diese Person gegen beruflichen Stress wie auch gegen viele andere Stresssituationen gewappnet.
Tragfähige Beziehungen pflegen
Ob in Ihrem Zimmer der Liebesfähigkeit nun viele Personen aus- und eingehen oder ob nur ganz wenige Menschen dazu Zugang haben, spielt keine Rolle. Wichtig sind tragfähige Beziehungen – dabei ist die Anzahl weniger relevant als die Qualität. Mindestens ein guter Freund, eine gute Freundin kann bereits ausreichen, ideal sind zwei bis drei.
Ob jemand mit Freunden, Freundinnen vor allem tiefe Gespräche führt oder ob die Verbindung vorwiegend durch gemeinsame Unternehmungen und Erlebnisse genährt wird, das ist eine Frage der persönlichen Vorliebe. Ausreichend Zeit und Energie braucht es aber in jedem Fall, um allen Freundschaften gerecht werden und sie pflegen zu können. Dabei ist Stress ein Hindernis.
Es verhält sich mit der Liebesfähigkeit gleich wie mit der Arbeitsfähigkeit: Einerseits sorgt sie für ein gutes Polster im Umgang mit Stress, anderseits ist sie aber auch Ausdruck davon, wie gut dies gelingt. Denn nur wer sich gut fühlt und gesund ist, ist offen für andere und für ein angemessenes Geben und Nehmen – und damit liebesfähig.
Stress schädigt die Liebesfähigkeit: Unter Stress werden wir egozentrisch und asozial, die Zeit fehlt uns, Freundschaften zu pflegen; Menschen, die uns an und für sich lieb sind, sind auf einmal nur lästig, weil wir unsere Ruhe brauchen und keine Lust auf Sozialkontakte haben.
BINDUNGSSTILE UND STRESSANFÄLLIGKEIT
Wenn jemand sicher gebunden ist, dann vertraut er auf die Verlässlichkeit der anderen, hält sich selber für liebenswert und ist auch selber liebesfähig. Er kann Liebe empfangen, für sich verwerten und auch Liebe zurückgeben. Diese Personen sind gut geerdet und sehr autonom. Sie kommen in der Regel sozial gut an, sind beliebt, haben gute Freunde und eine glückliche Partnerschaft. Sie haben viele Schutzschilder gegen Stress und können in besonderen Belastungssituationen auf die Unterstützung von Partner, Freunden, Bekannten und Verwandten zurückgreifen.
Ist eine Person unsicher-distanziert gebunden, fehlt ihr der Glaube an die Verlässlichkeit anderer. Sie wurde in ihren Bindungserfahrungen häufig enttäuscht, zurückgestossen, hat Bezugspersonen als nicht sensitiv für ihre Bedürfnisse erlebt. Sie versucht, gefühlsmässig enge Beziehungen zu meiden, möchte unabhängig und selbständig sein, sich nicht auf andere einlassen. Sie lässt ihren Wunsch nach Liebe, Nähe und Geborgenheit nicht zu, ist in ihrer Liebesfähigkeit beeinträchtigt und kann Liebe weder richtig empfangen noch verschenken. Das macht anfällig für Stress.
Auch eine Person mit einem verwickelten oder ängstlich-ambivalenten Bindungsstil hat ungünstige Bindungserfahrungen gemacht, gekennzeichnet durch Trennungserfahrungen, nicht sensitive Elternreaktionen auf ihre Bedürfnisse oder qualitativ ungenügende Mutter-Kind-Interaktionen. Diese Menschen empfinden Nähe als unangenehm und schwierig, da sie kein Vertrauen aufbauen können und sich fürchten, auch in neuen Beziehungen wieder verletzt zu werden. Sie lassen sich daher nicht voll auf Beziehungen ein, sind argwöhnisch, eifersüchtig, ängstlich. Entsprechend sind sie anfälliger für Kritik, Zurückweisungen und damit allgemein für Stress.
Auch ein besitzergreifender Bindungsstil spricht nicht für eine gesunde Liebesfähigkeit. Diese Personen klammern sich an andere, brauchen Beziehungen als Stütze ihrer Psyche. Es geht ihnen nur gut, wenn sie in engen Beziehungen sind, auch wenn sie merken, dass sie den anderen einschränken. Auch hier handelt es sich nicht um gesunde Liebesfähigkeit, und auch hier ist die Stressanfälligkeit erhöht.
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Viele Menschen, für die es essenziell ist, mit anderen Menschen zusammen zu sein und ihre Freundschaften zu pflegen, tun dies in Zeiten von Stress kaum mehr. Sie bündeln ihre Kräfte und konzentrieren sich auf anderes – und schneiden sich damit von einer wichtigen sozialen
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