Stark gegen Stress
dem Merkblatt für Betroffene, Burnout-Institut Norddeutschland (siehe Anhang)
Bewusste Lebensführung
Stressresistenz ist auch eine Frage der Lebensführung. Gesunde Ernährung, ausgleichende Aktivitäten, Zeit und Musse für sich selbst und andere: Im Stresshaus entsprechen diese Dinge den Leitungssystemen für Wasser, Heizung und Elektrizität. Sie versorgen das ganze Gebäude und machen es erst richtig wohnlich.
Zeit zählt
Chronischer Zeitmangel, wie er unter Stress typisch ist, beeinträchtigt das Leben auf allen Ebenen. Zeit braucht es nicht nur für Familien- und Erwerbsarbeit, sondern auch für die schönen Dinge des Lebens – und zwar reichlich.
Zeit entspricht im Modell des Stresshauses der Energie in Form von Elektrizität. Rund um die Uhr zuverlässig verfügbarer Strom ist heute für uns so selbstverständlich, dass ein Stromausfall zu einem – meist stressigen – Ereignis wird. Genau wie der Umgang mit Elektrizität ist auch der Umgang mit Zeit in aller Regel keine sehr bewusste Angelegenheit. Einigkeit besteht einzig bezüglich der Tatsache, dass es Stress bedeutet, wenn die Zeit fehlt. Tatsächlich ist sie aber auch für alle Formen von Stressprävention und Stressbewältigung essenziell. Zeit spielt in allen Lebensbereichen eine Rolle: Zeit für den Partner, die Partnerin; Zeit für die Kinder; Zeit für Freunde, Kollegen; Zeit für Entspannung, Zeit für körperliche Aktivitäten, Zeit für Musisches und Kreatives, Zeit, den Gedanken nachzuhängen. Und, ganz wichtig: Zeit für sich.
HINWEIS Die Ausrede «Ich habe keine Zeit» ist eben tatsächlich eine, denn das, was uns wirklich wichtig ist, findet immer Platz. Oft ist das auch nur eine Frage von bewusster Prioritätensetzung und umsichtiger Planung.
Ein dehnbarer Begriff
Zeit ist einerseits etwas Messbares, zugleich ist sie in der Empfindung jedes Einzelnen und je nach Moment aber auch etwas völlig Relatives. Manchmal zieht sich etwas «ewig» hin, manchmal vergeht die Zeit «im Flug» – und manchmal sind wir ganz und gar aus der Zeit herausgehoben, etwa wenn wir in einer Tätigkeit vollkommen aufgehen, die Zeit vergessen. Solche Momente sind besonders geeignet dafür, sich dem stressigen Alltag zu entziehen.
Zum Überlegen: Mein Umgang mit Zeit
▪ Wann haben Sie das letzte Mal gesagt, Sie hätten keine Zeit? Was war der Grund?
▪ Wann haben Sie sich das letzte Mal ganz bewusst für jemanden, für etwas Zeit genommen? Wieso ging es da auf einmal?
▪ Und wann waren Sie das letzte Mal so in eine Tätigkeit vertieft, dass Sie der Zeit enthoben waren und sie vergessen haben? Was war daran speziell?
Zeit für die Kinder
Wie entscheidend der Faktor Zeit ist, zeigt sich schon ganz zu Beginn des Lebens, in der Babyphase eines Menschen. Im Kapitel «Bindung und Selbstwert» (Seite 91) haben wir Ihnen gezeigt, wie wichtig es ist, dass ein Säugling von seiner Bezugsperson das bekommt, was es braucht, damit er eine gute Bindung aufbauen kann. Dafür ist viel Zeit notwendig, denn die Zeit, die eine Person mit dem Baby verbringt, entscheidet mit darüber, mit welcher Treffsicherheit sie seine Signale interpretieren kann – und somit darüber, wie hoch die Bindungssicherheit des Säuglings sein wird. Nur wer ausreichend Zeit mit einem Säugling verbringt, wird über genügend «Verhaltensstichproben» verfügen, um an seinen Äusserungen zu erkennen, ob er hungrig ist, ob er verunsichert ist und Angst hat, ob er herumgetragen werden möchte, ob er müde ist oder einen wunden Po hat. Die meisten Personen werden erkennen, dass einem Baby etwas fehlt; aber nur die, die mit ihm vertraut sind, werden wissen, was ihm fehlt. Wer ein Kind nur hin und wieder betreut, der wird nicht über die notwendige Vertrautheit und spezifische Erfahrung verfügen, um sensitiv reagieren und seine Signale richtig deuten zu können.
Ein guter Selbstwert und eine sichere Bindung sind somit unter anderem ein Produkt der investierten Zeit. Und aus dem oben Gesagten leitet sich ab, dass dies auch rein quantitativ gemeint ist. Kinder brauchen nicht hin und wieder einen spektakulären Tag; sie brauchen die tägliche zeitliche Verfügbarkeit der Bezugsperson. Und natürlich sollte diese Zeit qualitativ möglichst gut sein, indem man auf das Kind und seine Bedürfnisse einzugehen versucht, sich ihm zuwendet, Interesse an ihm zeigt und mit ihm Dinge macht, die beiden Spass bereiten.
Zeit für den Partner, die Partnerin
Eines der tragenden Elemente einer Partnerschaft
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