Stark gegen Stress
dass die Stresssituation im Erzählenden aktiviert wurde, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Warum-Frage («Warum hat dich das so traurig gemacht?» – «Wie kommt es, dass dich das so aufwühlt?»). Vorher wäre sie unergiebig und als störend empfunden worden. Für die Antwort auf die Warum-Frage sollten Sie Ihrem Gegenüber Zeit lassen. Halten Sie ganz bewusst auch Momente des Schweigens aus – Sie merken, ob Ihr Partner, Ihre Partnerin schweigt, weil er/sie innerlich «an etwas dran» ist oder einfach nicht mehr weiterweiss. Dann können Sie behutsam nachfassen, zum Beispiel indem Sie kurz zusammenfassen, was Sie bisher verstanden haben. Häufig kommt der Prozess dann wieder in Bewegung.
Je tiefer die Selbstöffnung nun geht, desto langsamer, stockender, leiser und zaghafter spricht der Sprecher und desto intensiver werden die Gefühle. Das Konstrukt ist nun stark aktiviert und stimuliert heftige Stressgefühle – oft tiefe Traurigkeit, die mit Weinen einhergeht. Der Partner spürt diese tiefe Trauer und schwingt unwillkürlich mit, auch er wird traurig und anteilnehmend.
HINWEIS Ob man das Konstrukt nun benennen will oder nicht: Entscheidend ist, dass man das Thema spürt und nun den Grund für das starke Stresserleben kennt. Wenn man sich seiner Achillesferse bewusst ist, kann man künftig besser damit umgehen. Der Partner ist als Mitwissender ein intimer Verbündeter. Man teilt gemeinsam etwas, wovon die anderen keine Ahnung haben. Zudem stört ihn das betreffende Verhalten häufig weniger, wenn er es einordnen kann.
Und wenn es zu viel wird für Sie?
Es ist nicht einfach, sich zu öffnen; aber ebenso schwierig ist es, tiefe Gefühle des Partners, der Partnerin auszuhalten. Ein Zeichen für Überforderung ist es, wenn Sie dem erzählenden Gegenüber die schwierigen Emotionen am liebsten abnehmen würden. Oder wenn Sie merken, dass Sie sich verschliessen. Dann stockt der Fortgang, der Sprecher reagiert darauf, nimmt sich zurück, verschliesst sich ebenfalls. Vielleicht sagt er sogar selber, dass das Ganze ja gar nicht so schlimm gewesen sei, er wird oberflächlicher und sachbezogener, relativiert das Erlebte, dreht es vielleicht sogar ins Witzige, lacht darüber. Man schützt sich und nimmt das Gesagte wieder zurück.
Setzen Sie sich als Zuhörer/Zuhörerin selber nicht unter Druck, schwingen Sie einfach mit. Es ist auch in Ordnung, wenn Sie selber nasse Augen bekommen, sich überwältigt fühlen. Sie müssen nicht stark und souverän sein, lassen Sie einfach mit sich geschehen, was die Schilderung des Partners, der Partnerin bei Ihnen auslöst. So spürt er bzw. sie, dass Sie mitgehen, fühlt sich verstanden und getragen.
TIPP Ein Trichter hat es so an sich, dass er den Inhalt konzentriert auf einen ganz bestimmten Punkt hinlenkt. Allerdings wissen Sie anfangs nicht so genau, wohin die Reise geht. Und manchmal passiert dann alles auf einmal ganz schnell, und im Trichter bildet sich ein Strudel, der Sie in die Tiefe reisst. Das ist in Ordnung und in der Regel nicht beunruhigend. Doch drohen die Gefühle zu intensiv zu werden und könnten Sie oder Ihr Partner, Ihre Partnerin die Kontrolle verlieren, dann halten Sie inne. Suchen Sie in dem Fall therapeutische Hilfe.
Bin ich jetzt auch Therapeut?
Beachten Sie: Die Trichtermethode ist keine gegenseitige Therapie, sie ist eine gemeinsame Erkundungsreise. Man begibt sich miteinander auf einen Weg, um eine Situation besser zu verstehen, und lernt dabei ganz viel über den Partner und über sich selber.
Beide sollten es vermeiden, sich als Experte aufzuspielen, der zu wissen glaubt, wo es langgeht. Beide sollten sich gleichermassen auf die Übungeinlassen, in beiden Rollen ihre Erfahrungen machen können und dabei auf ihre innere Haltung achten. Der Erzählende ist der Experte – und dass er Sie an seinem Innenleben teilhaben lässt, ist eine Auszeichnung und eine Ehre, ein Vertrauensbeweis. Zerstören Sie diesen nicht durch überhebliches, neugieriges, anmassendes oder zynisches Verhalten. Nur wenn sich beide ehrlich aufeinander einlassen, erzielen Sie als Paar einen Gewinn. Betrachten Sie das Ganze nicht als gegenseitige Therapie, denn das ist es nicht. Es ist ungesund, wenn Partner sich gegenseitig therapieren wollen.
TIPP Grundvoraussetzung fürs Gelingen der Trichtermethode ist, dass beide motiviert sind, sich auf diese Ebene der Beziehung einzulassen. Wenden Sie die Methode nur an, wenn Sie sicher sind, dass Ihr Partner, Ihre Partnerin
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