Stark gegen Stress
einseitig eingeleitet werden oder in gegenseitigem Übereinkommen. Das macht aus dem Commitment eine Absichtserklärung, eine bewusste Investition in die Beziehung – und zwar eine ohne garantierte Rendite.
Bleiben oder gehen?
Tatsächlich entscheiden sich immer mehr Paare für die Varianten Trennung und Scheidung, zumal diese heute gesellschaftlich akzeptiert sind. Mehr noch: Der Druck, die gegenwärtigen Gestaltungsfreiheiten so gut wie möglich zu nutzen und sich stetig zu optimieren, macht auch vor der Partnerschaft nicht Halt. Immer mehr Paare brauchen fürs Auseinandergehen nicht einmal mehr einen Anlass: Sie lassen sich scheiden, obwohl sie eigentlich zufrieden sind. Es reicht aus, wenn sie oder er jemanden kennengelernt hat, der noch besser passt, mit dem der individuelle Lebensentwurf noch besser gelingen könnte, der wieder dieses prickelnde Gefühl in der Magengrube auslöst, fasziniert und einen neuen Kick gibt.
Leidtragende sind in diesem Fall nicht nur die verlassenen Partner, sondern vor allem auch die Kinder. Gibt es chronische Spannungen undStreit zu Hause, ist eine Trennung für die Kinder häufig nachvollziehbar und vielleicht sogar entlastend. Gestaltete sich das Familienleben dagegen weitgehend harmonisch, ist eine Trennung für sie unvorhersehbar und unkontrollierbar, sie erscheint ihnen als Akt der Willkür. Das kann traumatisch sein und die Kinder bezüglich Stress verwundbar machen. Denn Kontrollverlust – etwas Negatives zu erleben, das man nicht vorhersehen oder beeinflussen konnte –, gehört zu den schwierigsten Erfahrungen.
Zum Überlegen: Wie halte ich es mit dem Commitment?
▪ Wie schätzen Sie Ihre Verbindlichkeit gegenüber Ihrem Partner ein?
▪ Wie stark haben Sie die Überzeugung, bei Ihrem Partner bleiben zu wollen, auch wenn es mal schwieriger ist, wenn Monotonie in Ihre Beziehung einkehrt?
▪ Wie stark wollen Sie sich auch emotional in Ihrer Beziehung engagieren? Ist Ihr Partner Ihre engste, intimste Vertrauensperson? Wenn nicht, woran liegt es?
▪ Was ist Ihr Beitrag zur Verbindlichkeit? Könnten Sie noch mehr tun?
▪ Verbindlichkeit ist ein Wert, für den sich idealerweise beide Seiten engagieren. Aber wenn Sie sich Ihrerseits zu diesem Wert bekennen, heisst das nicht, dass es Ihre Partnerin, Ihr Partner auch tut. Sie tätigen also eine Investition, die sich nicht zwangsläufig auszahlt. Wie denken Sie über diesen Sachverhalt, und welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?
Stress und die Sinnfrage
Für einige Menschen liegt der Sinn des Lebens einfach darin, es zu leben, mit allem, was es mit sich bringt. Andere können oder wollen es nicht dabei bewenden lassen. Für sie wird die Sinnfrage früher oder später im Leben zentral.
Religion, die grosse ehemalige Wertevermittlerin und Sinnstifterin, spielt heute in der westlichen Welt für breite Schichten der Bevölkerung imAlltag eine untergeordnete oder keine Rolle mehr. Die Sinnfrage ist für die allermeisten Menschen damit aber nicht vom Tisch. Manche befassen sich schon in jungen Jahren damit, andere später; einige vielleicht erst dann, wenn sie in einer persönlichen Krise, im hohen Alter oder im Zuge einer schweren Krankheit Lebensrückblick halten.
HINWEIS Aus dem Vollen schöpfen, geniessen, Spass haben ist für viele Menschen wichtiger, als sich zu hintersinnen. Und doch kommt für fast alle früher oder später der Augenblick, in dem sich die Sinnfrage stellt – häufig nach einem gravierenden Anlass, einem einschneidenden Erlebnis, das aufrüttelt.
Was hat Sinn mit Stress zu tun?
Keine Angst, hier geht es nicht um die alte Diskussion über den Sinn des Lebens. Sondern darum, was genau Stress und Sinn miteinander zu tun haben – und dies nicht auf philosophischer oder religiöser Ebene, sondern ganz pragmatisch.
Tatsache ist: Stress ist in vielen Fällen die direkte Folge fehlender Sinnhaftigkeit in einer Tätigkeit («Warum soll ich das den ganzen lieben Tag lang tun, was macht das für einen Sinn?»), mangelnder Orientierung im Leben («Welchen Sinn macht es, dass ich mir im Beruf, in der Partnerschaft, für die Familie, für andere dermassen Mühe gebe und mich täglich abrackere?») sowie einer mangelnden persönlichen Verankerung in der Sinnhaftigkeit («Welchen Sinn macht es in einer habgierigen Welt, sein Brot anständig und redlich zu verdienen?»).
HINWEIS Erst wenn wir den Sinn in einer Tätigkeit, in einer Beziehung erkennen, können wir den Einsatz dafür als lohnend beurteilen.
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