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Stark im Job

Stark im Job

Titel: Stark im Job Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Katrin Matyssek
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Zittern, Schweißausbrüche), aber der Arzt kann keine organische Grundlage finden. Als Ursache wird Stress vermutet.
Stress bei Arbeitslosen?!
    Das klingt zunächst paradox: Wie soll jemand Stress empfinden, der nichts zu tun hat? Aber gerade das Nichts-Tun erweist sich bei näherer Betrachtung als schwierig und letztlich gesundheitsgefährdend: Arbeitslosen fehlt häufig ein Rhythmus in ihrem Leben. Sie müssen ihrem Alltag selbst Struktur geben und viele schaffen das nicht. Beschäftigte stehen zu einer bestimmten Uhrzeit auf, ihr Tagesablauf ist geregelt, sie können ihre Tage nicht frei gestalten. Das empfinden die meisten ab und zu als ein Korsett – Regelmäßigkeit ist aber auch ein Gesundheitsfaktor, wie Sie in Kapitel 7 lesen können. Die Psyche wird dadurch stabilisiert.
    Auch Langeweile ist ein großer Stressor für Arbeitslose. Was sich ebenfalls zunächst absurd anhört, erleben viele mit dem Eintritt ins Rentenalter: Plötzlich gibt es nichts mehr zu tun. Die Leute stehen da mit ihren ganzen Ressourcen und können sie nirgendwo einbringen. Das Verhältnis von Belastungen und Ressourcen ist auch hier gestört, nur eben andersherum. Man spricht bei Menschen, die sich an ihrem Arbeitsplatz unterfordert fühlen, auch von „Bore-Out“ – einem Gefühl von innerer Leere, das ebenfalls psychosomatische Erkrankungen begünstigt.
Gesundheitsfördernde Aspekte von Arbeit
    Es gibt noch mehr (nachvollziehbare) Gründe für die bessere Gesundheit der arbeitenden Bevölkerung. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist einer davon. Einerseits spielt das Finanzielle eine Rolle. Viele Hobbys, Kino, Theater, Feiern, Mitgliedschaften in Vereinen etc. kosten Geld; wer davon wenig hat, kann auch nur wenige Angebote in Anspruch nehmen.
    Andererseits ist in diesem Zusammenhang das fehlende Gemeinschaftsgefühl von Bedeutung: Arbeitslose fühlen sich oft nicht mehr als gleichwertiger Teil der Gesellschaft. Weil sie nicht mehr das tun, was alle anderen tun – eben arbeiten –, erleben sie sich als ausgeschlossen. Als würden sie nicht mehr richtig dazugehören. Viele ziehen sich von sich aus zurück. Die meisten wollen nicht auf Almosen angewiesen sein und lehnen beispielsweise eine kostenfreie Vereinsmitgliedschaft ab, sofern sie hierfür ihre Bedürftigkeit nachweisen müssen.
    Es geht bei Weitem nicht nur um Geld. Sonst würden sich nicht so viele Hartz-IV-Empfänger freiwillig um schlecht bezahlte Jobs bewerben, bei denen sie sich finanziell schlechter stehen, als wenn sie weiterhin Sozialleistungen bezögen. Auch Sinnempfinden ist ein wichtiger Gesundheitsfaktor. Viele Arbeitslose haben das Gefühl, mit ihrer Arbeit auch ihren Lebenssinn verloren zu haben. Ihr Depressionsrisiko ist deutlich erhöht. Es erfordert große Anstrengungen, sich selbst zu beweisen, dass auch in anderen Beschäftigungen ein Lebenssinn liegen kann – Beschäftigungen, die bis dahin vielleicht eher nebenher liefen und nicht den Lebensmittelpunkt ausmachten, wie zum Beispiel Gartenpflege, Kindererziehung, Wohnraumgestaltung oder ehrenamtliche Tätigkeiten.
Gut fürs Selbstwertgefühl
    Nicht zuletzt für das Selbstwertgefühl eines Menschen ist die Arbeit ungeheuer wichtig. Sie verschafft ihm Anerkennung. Viele würden den Satz: „Ich bin, was ich arbeite“ sofort unterschreiben. Der Beruf gehört zu einem, fast so sehr wie der Partner oder die Kinder. Insbesondere in Westeuropa legt man sich mit der Berufswahl immer noch sehr stark (manchmal sogar noch lebenslänglich) fest. Die Bindung an den Beruf ist damit stärker als die an ein bestimmtes Haus oder – insbesondere in Zeiten wachsender Mobilität – an eine bestimmte Region.
    Die Abhängigkeit des Selbstwertgefühls von der Arbeit wird vielen Teilnehmern in meinen Seminarveranstaltungen erst in dem Augenblick bewusst, wo sie sich mit der Frage auseinandersetzten: „Wer bin ich, wenn ich nicht arbeite?“ Es fällt ihnen erst einmal nicht viel ein. Diese Menschen müssen lernen, sich nicht nur über ihre Arbeit zu definieren, denn letztlich kann es immer mal passieren, dass sie komplett wegfällt (gesundheitsbedingt, entlassungsbedingt). Die Menschen müssen trotzdem irgendwie weiterleben.
Ich bin, was ich arbeite
    Arbeit ist für viele Menschen der identitätsstiftende Faktor schlechthin: Sie definieren sich über die Arbeit. Sie finden über sie ihren Platz in der Gesellschaft. Ihre Arbeit bestimmt ihr Image, also das Ansehen in ihrem sozialen Umfeld. Auch der Kontakt zu Kollegen

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