Starke Frau, was nun?
billig, einprägsam, sympathisch, auch mit der richtigen Portion Arroganz versehen – so, wie es sich für einen Macho par excellence gehört …
Alles andere würde nicht passen; mit einem Mal ist Lisa davon überzeugt – zumindest wäre sie es, würde sie ihren wirren Gedanken so weit folgen. Nach einer undefinierbaren Zeitspanne wird der nächste Titel eingespielt und Lisa somit aus ihrer gefährlichen Trance befreit.
Dann fällt ihr Mandy auf, die inzwischen etwas ängstlich wirkt. »Are you okay?«, erkundigt sie sich nochmals, diesmal bedeutend vorsichtiger.
Hmmm, gute Frage; Lisa ist sich darüber nicht ganz schlüssig, es sei denn, Mandy besitzt in der Superteuerwohnung auch einen Transporter, mit dem man sich beamen lassen kann. Sie geht eher nicht davon aus. Na ja – Bunny eben.
Irgendwann seufzt sie. »Weißt du, wo sich dieser Sender befindet?«
Die Stirn geht in eine neue Kraterbildungsrunde und Lisa seufzt gleich noch einmal. »Where ...«, sie deutet zu der Anlage, »... is this radio station?«
Das Stirnrunzeln hält sich noch für einen Moment länger (immer noch blättert nichts, das Make-up muss eines der kostspieligen Sorte sein), doch dann hellt sich ihre Miene auf.
»Oh yeah!« (Mist!) »Of course!«
Der Macho ...
Sonne ist für Chris von eklatanter Bedeutung.
Früher hat er sich nur nie Gedanken darüber gemacht, möglicherweise, weil einem als Kind das Wetter mehr oder weniger scheißegal ist. Nach Amerika ging er, als er noch ziemlich jung war, und in Florida scheint nun mal meistens die Sonne. Doch nach diesem legendären Trip in die alte Welt und seinem glücklichen Überleben genießt er jeden verdammten Sonnenstrahl, der zufällig auf seine Haut trifft. Nie zuvor lebte er bewusster; er genießt die Ruhe im Sender, die bekannten Gesichter und die Professionalität, die er so lange vermissen musste.
Endlich keine fruchtlosen Diskussionen mehr mit aufsässigen Mitarbeitern oder sinnfreie Auseinandersetzungen mit Moderationspartnern - sorry ... INNEN, Moderationspartnerinnen .
Jesus, was hat er das vermisst!
Der geborene Mensch für das Radio, so wird er vielerorts genannt. Das mag an den Genen liegen, ganz unbefleckt rutschte er in diese Geschichte nämlich keineswegs hinein. In Wahrheit gehört seinem Grandpa seit Jahrzehnten einer der erfolgreichsten Unterhaltungskonzerne in der Südhälfte der Vereinigten Staaten. Der Sohn – James, Chris´ Dad – war eine herbe Enttäuschung und auch der Enkel wollte sich so gar nicht in das gemachte Nest setzen, sondern bestand darauf, es aus eigener Kraft zu schaffen. Nein, er hatte Lisa und Berlin und Brandenburg nicht belogen, die Wahrheit höchstens ein wenig verzerrt.
Denn das state´o´radio ist – wie Radio-Berlin – eines der vielen, vielen Kinder, mit denen die Firma seines Grandpas in den Jahren gesegnet wurde. Die Globalisierung macht´s möglich.
Aber er hat sich seinen Status als Chef erarbeitet – nicht geerbt. Darauf legt Chris außerordentlichen Wert und bisher hat er noch jedes Angebot, doch endlich ins TV zu wechseln, strikt abgelehnt – worüber sein Grandpa übrigens auch nicht begeistert ist. Sein Platz befindet sich hinter einem Mikrofon und einem Mischpult. Darin liegt für ihn die wahre Faszination, und er ist somit in der Lage, seinem derzeit zugegeben etwas chaotischen Geist Frieden zu bescheren …
Manchmal, besonders, wenn er bestimmte Titel auflegt, wallt nämlich in ihm dieser vernichtende Zorn auf, der noch ziemlich jung ist und den er dämlicherweise in sicherer Verwahrung glaubte.
Ja, er ist unvorstellbar froh in seinen Flieger gestiegen, hat die triste Atmosphäre dieser langweiligen Stadt und das steife, unbewegliche und so arrogante deutsche Volk nur allzu gern hinter sich gelassen. Mal davon abgesehen, dass er unglaublich glücklich ist, endlich wieder in seinen eigenen vier Wänden zu hausen.
Die Unterkunft in Berlin war nicht übel – aber eben nicht seins. Tief in seinem Innern – so tief, dass er es kaum jemals auslebt – ist Chris nämlich ziemlich konservativ. Egal, wie genial die Wohnung eingerichtet war, sie blieb fremd. Nur das Schlafzimmer wurde manchmal …
FUCK!
Unwirsch schüttelt er den Kopf; sein Blick fällt auf Stan, der vor der Scheibe steht und ihn fragend mustert.
Double-Fuck!
Eilig fährt er das Mikro hoch und tätigt seine nächste Ansage.
Okay, vielleicht ist er noch nicht wirklich angekommen, hätte sich möglicherweise tatsächlich ein paar Tage freinehmen
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