Starke Frau, was nun?

dichter Enge platzt Lisa mal wieder der Kragen. »Was versprichst du dir von dem Scheiß?« Dass sie brüllt, fällt wegen des Lärms kaum auf.
    Flüchtig schaut er sie an, bevor er sich wieder seiner heiteren Musterung der Umgebung widmet. Ehrlich, sein Kopf gleicht einer Rundumleuchte und er wirkt echt begeistert. »Topthema!«
    »Mann, du findest alles im Internet! Ich wette, da kursieren Tausende von Horrorvideos über einen Besuch bei solchem Scheiß!«
    Er lehnt sich zu ihr hinab. »Handwerkliche Arbeit, Baby, erinnerst du dich? Du kannst das nur glaubhaft rüberbringen, wenn du es selbst gespürt hast. Oder hast du schon mal gehört, dass eine Nonne über einen Orgasmus spricht?«
    Bevor Lisa auf diese Geschmacklosigkeit antworten kann, macht ihr Vorläufer einen Ausfallschritt nach hinten und tritt ihr mit aller Gewalt, die sein derber Stiefel hergibt, auf ihre leichten biologischen Hanftreter.
    »AUH!«, stöhnt sie. Nicht, dass der Kerl sich mal entschuldigt. Logisch nicht – ist schließlich ein Mann. »Danke, ich hab`s gespürt. Können wir jetzt gehen?«
    »Nein!« Ohne wenigstens mal anzuhalten, damit sie sich darüber informieren kann, wie viele Knochen an ihrem Fuß gebrochen sind, zieht er sie weiter. Stehenbleiben ist auch unmöglich, weil die Menge eine Art Eigendynamik entwickelt: Man wogt unweigerlich im Strom mit.
    »LOOK!«, brüllt Chris plötzlich hellauf begeistert.
    »Was jetzt?«, stößt Lisa hervor. »Neuer Superschlitten aus bayerischem Hause und du darfst ´ne Probefahrt hinlegen – wer die meisten lebenden Hindernisse umkarrt, bekommt einen gratis?«
    Ohne zu antworten, zerrt er sie zu einem Zuckerwattestand. »I fucking love this shit!«, strahlt er.
    »Davon bekommt man Karies und wird fett!«
    »Shut up, Baby!«, empfiehlt er freundlich und hebt zwei Finger. »Zweimal, please.« Die junge Verkäuferin lässt sich augenblicklich von seiner Begeisterung anstecken, denn sie grinst so breit, dass Lisa sich unweigerlich an Rebekka erinnert fühlt. Besonders, als der Klappspaten zurückgrinst.
    Wenig später hält er ihr einen der rosa Wattebäusche entgegen. »Das esse ich nicht!« Was nicht ganz stimmt; Lisa mag Zuckerwatte schon, aber nicht, wenn man sie zu deren Genuss zwingen will. Er zuckt mit den Schultern und vernichtet grinsend beide Portionen. Und zwar in Lichtgeschwindigkeit.
    Oh Frau!
    Die Quittung folgt auf dem Fuße. Denn kurz darauf steht er hilflos und mit gespreizten Fingern da.
    »Genau DESHALB habe ich darauf verzichtet«, bemerkt sie trocken, was ihr einen strafenden Blick einbringt. Suchend blickt er sich um und schiebt sie kurz darauf zu einer Currywurstbude, an der eine mütterliche Frau bedient. »Excuse me?«
    Kaum hat sie ihn erblickt, lächelt sie breit. »Watt willste, Kleener?«
    Also, Lisa hätte jetzt mit einem Anfall des Machos gerechnet, doch der hält nur die Hände hoch. »Die kleben. Haben Sie ...«
    Schon hält sie ihm einen gebrauchten Lappen entgegen, der von ungefähr zwei Millionen Bakterien verseucht ist. »Hier, mein Junge.«
    Das Stöhnen der jungen Frau neben dem idiotischen Ami beachtet keiner der beiden. Strahlend und in einer Arschruhe beginnt Chris mit der Reinigung seiner Finger – wenn man es so nennen will. Dann verabschiedet er sich von der Verkäuferin, die ihn währenddessen beobachtet hat, als würde er soeben das Rad neu erfinden, und schon geht es weiter.
    Doch die scheinbare Ruhe währt nicht lange, denn keine fünf Minuten später brüllt er erneut: »LOOK!«
    Inzwischen hat Lisa begriffen, dass dem nie etwas Gutes folgt. Wie Recht sie hat: Er steuert nämlich zielstrebig zum Riesenrad.
    »NEIN!«
    »Oh doch!«
    Lisa bleibt stehen; die Leute rempeln sie an und sie kassiert einige böse Mienen, doch das ist ihr egal. »Ich habe Höhenangst; ich kann mit so einem Ding nicht fahren.« Diesmal ist sie sogar todernst.
    Nachdenklich und mit zur Seite geneigtem Kopf betrachtet er sie und grinst schließlich. »Ich bin bei dir, Baby.«
    »Leck mich!«, zischt sie mit wachsender Panik; sie hat nämlich nicht übertrieben. Doch er zieht sie gnadenlos weiter. »What a buzzkiller!«
    Inzwischen stemmt sie sich mit beiden Armen gegen ihn, versucht, stehen zu bleiben, aber er besitzt einfach mehr Kraft. »Ich? Du. Hast. Ja. Keine. Ahnung. Wie. Viel. Spaß. Man. Mit. Mir. Haben. Kann!«
    Er sieht sie an; die Augen funkeln. »Uh-huh! Die habe ich durchaus!«
    Und schon haben sie das Höllengefährt erreicht und reihen sich in die lange