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Starke Frau, was nun?

Starke Frau, was nun?

Titel: Starke Frau, was nun? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kera Jung
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mit irgendwem treffen wollen, einwandfrei bescheinigen zu können, dass er nicht da ist. Obwohl sie sich bereits um satte zwanzig Minuten verspätet hat.
    Es wird immer kälter; sie kann kaum noch ihr Rad halten; ihre Finger drohen ernsthaft, einfach abzusterben und der Schnee fällt unaufhörlich. Außerdem sieht jeder zweite Passant (ausschließlich männlich – sonst hätte sie PassantIN gedacht) wie ein potenzielles Mafiamitglied aus.
    Ich beschütze dich, Baby!
    Ha!
    Unabhängig davon, dass sie immer noch allein auf sich achten kann, ist das ja wohl der größte Witz! Möglicherweise hat er verpennt oder er ist zwischenzeitlich in sein geliebtes Florida zurückgekehrt, weil es ihm hier kurzfristig zu kalt geworden ist. Oder ... Lisas Augen verengen sich; eine vorwitzige Schneeflocke landet direkt auf ihrer linken Wimper und verschleiert noch zusätzlich ihr Blickfeld. Hat der Kerl vielleicht irgendwo Kameras geordert, die sie filmen, während sie langsam, aber sicher zum Eiszapfen erstarrt? Zuzutrauen wäre es ihm – nach den vergangenen drei Wochen traut sie Chris Scout so ungefähr alles zu.
    Finster schaut sie sich um und macht etliche Leute mit eingeschalteten Handys in den Händen aus. Heutzutage geht es ja nicht mehr ohne. Glücklicherweise ist jedoch keines direkt auf sie gerichtet. Dennoch, Entwarnung bedeutet das für Lisa keineswegs. Bei dem Kerl kann man nie wissen; der ist so lang wie dämlich.
    Inzwischen grollt ihr Magen. Sie hat heute noch nichts gegessen, ihr ist kalt und sie will nach Hause, verdammt! Fünf Minuten, beschließt sie. Dann will sie gehen.
    Halt!
    Zwei!
    Schließlich ist er seit einer halben Stunde überfällig!
    Missmutig sondiert sie weiter ihr Umfeld. An dieser verdammten Uhr fallen sich ständig irgendwelche Leute in die Arme und alle wirken dabei so kitschig fröhlich, dass ihr das Würgen kommt. Sie hat dieses Bauwerk schon immer gehasst – außerdem ist es hässlich.
    »Ich wusste es!«
    Ihre Augen werden groß; sie fährt herum, und wer steht da – selbstverständlich in ordentlichster Klischeemanier mit dunklem Mantel, weißem Schal und einem dämlichen Grinsen?
    Inzwischen ist Lisa ziemlich abgehärtet, deshalb währt die Schrecksekunde nicht sehr lange. »Schön, dass du auch schon kommst!«, zischt sie.
    »Oh, yeah ...« Da ist es wieder! Er runzelt die Stirn; auf seinem Haar hat sich bereits ein hübscher kleiner Schneehügel gebildet. Sie will nicht unbedingt wissen, wie sie derzeit aussieht. »Ich habe Ewigkeiten nach einem Parkplatz gesucht. It’s a fucking disaster!«
    Mit einem verächtlichen Schnauben deutet Lisa zu dem überdimensionalen U in fünfzig Meter Entfernung. »Vielleicht hättest du besser die Bahn genommen? Ist auch bedeutend sauberer!«
    »Oh, jetzt, wo du es sagst ...« Das nächste Grinsen erscheint, dann hebt er die Brauen. »Wo ist eigentlich dein Atemschutzdings?«
    Darauf antwortet sie nicht, denn das Niveau dieser Unterhaltung ist ihr zu blöd. Außerdem ist ihr inzwischen derart kalt, dass selbst ein verbaler Schlagabtausch mangels Interesse gestrichen ist.
    Irgendwann seufzt er. »Ich wusste, dass du zu dämlich bist, um dir etwas Warmes anzuziehen.«
    Zu allem Überfluss deutet er auf ihre dicke Wolljacke, und erst jetzt fällt ihr auf, dass er eine Tüte dabei hat.
    »Du bist doch nicht ganz dicht!«, schnaubt sie, als er doch tatsächlich einen dicken schwarzen Parka herausholt.
    »Oh, I’m damn good«, versichert er. »Bei dir habe ich allerdings meine Zweifel!«
    Sie zeigt ihm mit blauem Finger einen Vogel. »Ich lass mich doch nicht von dir anziehen!«
    Das Grinsen wird breiter. »Not? Wie steht`s mit der gegensätzlichen Variante?«
    Stöhnend verdreht sie die Augen. »Du bist ein sexistisches Schwein!«
    Er nickt. »Yeah, ich weiß. Und du hast noch nie etwas von Sexismus gehört, geschweige denn, dass du dich dessen schuldig machst.«
    Anstatt zu antworten, stöhnt Lisa erneut. »Also, was ist jetzt? Gehen wir zu deinem verdammten Weihnachtsschwof?«
    »Erst ziehst du das Ding an. Ich habe keine Lust, nach einer halben Stunde abzubrechen, weil du vor Kälte heulst. Do it, now!«
    Das kommt in diesem Befehlston, den sie ja auch extrem mag. »Sonst?«
    In der Zwischenzeit wirkt er leicht aufgebracht. »Sonst was?«
    Mit verschränkten Armen blickt sie eher gelangweilt zum grauschwarzen Himmel empor, der unentwegt Schneeflocken erbricht. »Was passiert, wenn ich mich weigere? Feuerst du mich oder stellst du mich an den

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