Starke Frau, was nun?
man beleidigen?«
»Wo du recht hast«, bemerkt er schulterzuckend. »Außerdem verteilst du deine Beleidigungen heute Abend durchaus gerecht, nichts für ungut.«
»Du bist so ein elender Heuchler!«
»Ich bin alles …«, damit leert er sein Glas und stellt es hörbar ab, »... aber kein Heuchler. Sie will es nicht anders – im Grunde ist sie ebenso durchgeknallt wie du, nur auf andere Art.«
»Aha.« Nachdem sie einen Schluck genommen hat, grinst sie ihn herausfordernd an. »Du kannst mich schlagen, aber sehr professionell ist es nicht gerade, was wir hier abziehen. Ich schätze, nach Ende der Sendung sind wir beide arbeitslos.«
Sein Lächeln wirkt derart überheblich, dass sie ihm den Champagner ins Gesicht schütten will. Einzig das dazwischenliegende Pult hält sie davon ab. »Baby, es ist Silvester! Die Leute feiern! Keine Sau hört zu; niemanden interessiert, was wir von uns geben!«
Kaum hat Lisa das Mikro wieder an, seufzt sie. »Leute, ich hoffe, ihr seid noch da. Chris meinte gerade, er befürchte, niemand höre uns zu. Vielleicht ist er deshalb so mutig.« Sie ignoriert sein Lachen. »Um eins klarzustellen: Ich bin froh, Teil der Frauenbewegung zu sein, auf Fleisch zu verzichten, und ich weiß, dass wir die Welt verändern, sie erträglicher und lebenswerter machen werden. Die Frauen waren schon immer die besseren Menschen – in jeder Beziehung. Männer führen Kriege und vernichten, ob beim Autofahren, im Beruf oder beim Sex. Frauen sorgen dafür, dass die Dinge eine Chance bekommen, zu leben, zu gedeihen, schön zu sein!«
Schallend lacht er los. »Yeah, sie hat ein bisschen viel getrunken. Kann schon mal vorkommen. Der nächste Titel wie immer passend wie die Faust aufs Auge: › Pardon me ‹ von Staind.«
Wütend nimmt sie die Titelliste zur Hand. Steht das da überhaupt? Ja, tut es. Als sie aufsieht, empfängt sie sein dämliches Grinsen.
»Penner!«, zischt sie und das Grinsen wird breiter.
Im Vorraum ist ihre Ablösung eingetroffen: Daniel ist für die tote Stunde verantwortlich. Na ja, heute ist sie wohl nicht ganz so tot wie üblich. Rebekka spricht auf ihn ein und gestikuliert wild. Doch er hebt nur die Schultern. Bei Daniel ist sie an der falschen Adresse. Der moderiert nicht umsonst die Sendung zwischen ein und vier Uhr. Soweit Lisa weiß, gab es noch nichts, was den jemals aus der Ruhe brachte.
Sie runzelt die Stirn. Schade eigentlich. Man könnte durchaus versuchen, ihn zu Fall zu bringen. Leider bleibt ihr nicht mehr viel Zeit, um ihr neustes Experiment zu starten.
Verdammt!
Kaum ist der Titel ausgeklungen, schiebt sie die Regler hoch und legt los. Ohne Übergang – hört ja ohnehin niemand zu. »Ihr müsstet ihn sehen: der Macho schlechthin! Er bedient ein Klischee nach dem anderen und ist sich nicht zu schade, auch noch die widerlichsten Anschauungen in den Äther zu posaunen. Frauen sind einen Schiss wert und er hält sich für den Superguru. Dabei ist er im Grunde nichts ...«
Chris blickt auf.
»Verdammter Mist, ich habe die Wahrheit gesagt und das passt ihm offenbar überhaupt nicht.« Lisa kichert. »Ich glaube, jetzt ist er echt sauer. Hmmm, also, sollten wir uns nicht mehr hören, hier meine letzte Titelansage: › Ich bereue nichts ‹ von Silbermond. Behaltet mich in bester Erinnerung!« Lächelnd neigt sie den Kopf zur Seite. »Wolltest du noch etwas sagen, Chris?«
»Yeah ...« Bedächtig lehnt er sich zu ihr hinüber »Du bist ein dummes, aufmüpfiges Weib, das sich in Phrasen flüchtet, weil es einem echten Mann nichts anderes entgegenzusetzen hat! Wie sieht es eigentlich mit deinem Privatleben aus, Baby? Existiert da ein Mann oder auch nur Sex?« Das Letzte haucht er mal wieder und richtet sich dann auf. »Ich denke, die Antwort hast du selbst geliefert. Schade, unter anderen Voraussetzungen hätte aus dir eine echt süße Frau werden können. Aber so bist du auch nur eine von den vertrockneten, frustrierten Fregatten. Bye guys, so long!«
Damit steht er auf und geht.
Wie in Trance schiebt Lisa die Regler hoch und nimmt die Hörer ab.
Untervögelt? SIE? Das ist sein Tod! Diesmal ist er zu weit gegangen!
Achtlos wirft sie ihre Kopfhörer beiseite, wobei das verdammte Champagnerglas beinahe doch noch den Abgang macht, und keine zwei Sekunden später rauscht sie an Daniel und Rebekka vorbei, die sie mit offenen Mündern anglotzen. Drei Treppen hinab; ihre Fäuste sind so stark geballt, dass die Knöchel weiß hervortreten, und die Zähne haben sich
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