Starke Frau, was nun?
dieser widerlichen Sabberfäden auf dem Kinn in irgendeiner psychiatrischen Klinik. Das kann heutzutage echt schnell gehen.« Ihr bedeutungsvoller Blick trifft ihn, doch er schüttelt den Kopf. »Egal, was du sagst, das war der Grund. By the way ... Schon interessant, dass dir nicht etwa der Macho vom Dienst das Sprechen verbietet, sondern diese überzeugten Verbreiterinnen der Mär, dass die Patriarchen dieser Welt euch anhaltend in die Knie zwingen, oder?«
»Vergiss es, du willst mich provozieren und dabei spiele ich nicht mit. Weit und breit kein Mikro in Sicht.«
»Ich habe nicht provoziert, ich meine das ernst.« So wirkt er auch, was ihr sogar enorm auf den Geist geht. »Du propagierst ein Bild von dir, hinter dem du im Grunde nicht stehen willst.« Ihr aufgesetztes Lachen ignoriert er. »Ob du das jetzt einsiehst oder nicht.« Stirnrunzelnd betrachtet er die gefledderte Leiche und schiebt den Teller von sich. Plötzlich scheint er frustriert. »Fertig?«
Lisa mustert ihr eigenes leeres Billigessgeschirr und sieht spöttisch auf. »Nein, ich warte immer, bis der Verdauungsvorgang eingeleitet ist, dann schiebe ich das Porzellan nach.«
Fassungslos steht er auf. »Come!«
Warum hat sie bei dem Kerl eigentlich immer den Eindruck, ein besseres Hündchen zu sein?
* * *
Nein, sie fahren nicht endlich Richtung Heimat.
Wenig später findet sich Lisa in einem Kahn auf diesem stinkenden Gewässer wieder. Einziger Vorteil, wenn man sich in Begleitung eines waschechten Machos befindet: Der Ami rudert!
Ha!
Trotzdem, sehr besänftigt ist sie nicht. »Was bitte soll das bringen?«, knurrt sie nach einer Weile.
»Wir fahren mit dem Boot auf einem See. Was das eben so bringt.«
»Du tust das des Klischees wegen?« Entnervt fasst sie sich an den Kopf. »Nein, was frage ich? Natürlich tut er es des Klischees wegen. Gleiches zu Gleichem.«
»Stop it!«
Sie erstarrt. »Bitte?«
»Hör mit dem Theater auf«, grollt er. »Es befindet sich nämlich wirklich kein Mikro in der Nähe!«
»Spinnst du?«
»Nein, ich habe nur langsam, aber sicher die Schnauze voll«, brummt er und rudert dabei immer schön in Richtung Seemitte. Die Sonne, ohnehin schon ziemlich kräftig, scheint hier noch mal doppelt so intensiv. Lisa wird in ihrem Strickpullover gebacken; Chris hat längst seine Jacke ausgezogen, das Hemd ist mal wieder aufgeknöpft – logisch. Und zu allem Überfluss ist sie wirklich ernsthaft wütend, denn einmal mehr an diesem grauenvollen Tag hat sie den unangenehmen Eindruck, zu sämtlichen Handlungen gezwungen zu werden. Und das, wo Lisa Radtke sich zu überhaupt nichts zwingen lässt.
Was soll der Scheiß? Sie beschließt, einfach passiven Widerstand zu leisten; eine Diskussion mit ihm bringt in dieser Stimmung ohnehin nichts.
Auf alles vorbereitet lehnt Lisa sich zurück und schließt die Augen.
* * *
Okay, alles bedeutet in diesem speziellen Fall, dass sie demnächst wieder am Heimathafen anlegen und endlich die Rückfahrt antreten, die ja auch noch mal etliche Zeit in Anspruch nimmt.
Es bedeutet jedoch keineswegs, dass der blöde Kahn plötzlich irgendwo in der Wallachei an ein mit Schilf bewachsenes Ufer stößt. Dahinter liegt eine Wiese, die noch nicht wirklich grün ist – sie haben ja erst April, wenn auch mit deutlicher Tendenz zum Mai.
Noch hält Lisa das alles für einen schlechten Scherz, weil sie eben nie hinzulernt. Denn als Chris tatsächlich Anstalten macht, auszusteigen, geht ihr auf, dass sie nicht träumt. Nein, nein. »Bist du bescheuert?«
Als er aufsieht, ist seine Stirn tief gefurcht. »Weshalb denn jetzt schon wieder?«
Anstatt zu antworten, breitet sie die Arme aus. Hinter dem kurzen Grasstück erheben sich Bäume, die von einem hohen Zaun umgeben sind. Eines der teuren Wassergrundstücke. Neuerdings tauchen diese Zäune überall auf; es ist schon verwunderlich, dass sie die Wiese noch betreten können. Nicht mehr lange und kein Normalsterblicher wird mehr in der Lage sein, jenseits der Proletensammlungsstätten an den See zu gelangen. Also sollte er so dämlich sein und auf das zweifelhafte Vergnügen gesteigerten Wert legen.
»Was willst du hier?«
Der dämliche Ami erleuchtet sie natürlich nicht, und als sie keine Anstalten macht, den wackligen Kahn zu verlassen, grinst er und hält ihr galant eine Hand entgegen. »Darf ich bitten?«
»Nee, du kannst mich!«, faucht sie, verschränkt die Arme und starrt zum Himmel.
»Dann nicht. Ich dachte mir, hier wäre es schön und
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