Starke Frau, was nun?
paar Idioten von der Antifa und haben Stunk gemacht ...«
Keine Reaktion, schon gar keine Überraschung – aha, die lesen also auch die BILD.
»Wie das so ist, ich wurde festgenommen ...« Noch immer zuckt kein Muskel; das wissen sie also auch. Mist! Womit ihnen nämlich ebenfalls bekannt sein dürfte, wann sie entlassen wurde. Damit kann sie sich kein zusätzliches Zeitpolster schaffen.
Denn noch im Umhereiern und mühsamen Nach-Ausreden-Suchen kocht Lisa so langsam, aber sicher über. Sie ist nicht vierzehn! Auch nicht achtzehn! In Wahrheit geht sie mit großen Schritten auf die Achtundzwanzig zu!
Der Kochvorgang ist abgeschlossen, die Wut brodelt über; sie stemmt die Hände in die Hüften und legt los: »Was soll das Theater? Ich war im Sender, habe den nächsten Countdown vorbereitet! Was sollte mir schon passieren? Mich klaut niemand – und wenn, würde der mich sofort zurückbringen, versprochen!« Ihr Witz geht gründlich nach hinten los, das Grinsen übrigens auch, denn niemand lacht mit.
Klasse!
Alles starrt Lisa an, als wäre sie eine der dreibeinigen Enten, die sie im Müggelsee vermutet, einschließlich grüner Warzen und Tentakeln – wenn Mutation, dann richtig.
Wieder ist es ihr Vater, der sich als Erstes fängt. Inzwischen klingt er nicht mehr heiser, sondern kämpft hörbar mit seiner Fassung. »Wir telefonieren seit heute Morgen in der gesamten Stadt umher und suchen dich. Jede Klinik, die Gerichtsmedizin, jedes Revier, alle Redaktionen! Niemand konnte uns sagen, wo du bist! In deinem Laden wusste man auch nichts. Hast du ...« Er schüttelt den Kopf. »Hast du auch nur die entfernteste Ahnung, was wir durchgemacht haben? Seit gestern Abend wird in den Nachrichten über die Ausschreitungen berichtet; es gab etliche Verletzte, einige davon schwer. Wo auch immer du warst – warum hast du dich nicht gemeldet?«
Das ist ihre Chance – die einzige, wenn Lisa die Sachlage richtig einschätzt und diesmal gibt sie alles: »Es war alles so aufwühlend!«, stößt sie verzweifelt hervor. »Peggy ist verletzt, ich auch; ich saß im Knast, danach haben wir endlose Stunden geschuftet, wir mussten schließlich diese vertrackte Demo aufarbeiten. Chris und seine verdammten Topfthemen! Dolly ist tot. Total seziert! Ich habe ... ich musste ...« Ein trockenes Schluchzen erschüttert sie; diesmal ist es sogar echt, denn der Gedanke an ihre treue Freundin schmerzt noch immer barbarisch. Also, damit ist Dolores gemeint, nicht etwa Peggy.
Nicht Hans zeigt Erbarmen, Mechthild scheint ohnehin erstarrt zu sein. Hilfe kommt von eher ungeahnter Seite: Robert erwacht nämlich plötzlich aus dem Koma und steht kurz darauf neben ihr. »Sie ist ganz durcheinander; lasst sie erst einmal zu sich kommen.« Er legt einen Arm um Lisa und küsst mit bebenden Lippen ihre Schläfe. »Ich bin so froh, dass es dir gut geht.« Schon glitzern die nächsten Tränen.
Oh Frau!
* * *
Robert gelingt es tatsächlich, die total kaputten Eltern hinauszukomplimentieren.
Lisa bekommt einen feuchten Kuss von Mechthild, die noch mal aufschluchzt, und einen Blick von Hans, der nichts Gutes verheißt.
Kaum ist die größte Gefahr (Hans) gebannt, bereitet Robert seiner Lisa ein heißes, duftendes Bad. »Erhole dich erst mal«, meint er, bevor er den Raum verlässt. Doch an der Tür macht er noch einmal kehrt und küsst sie überschwänglich, und nachdem er sie noch einmal bedeutsam bemustert hat, verschwindet er endlich. Stirnrunzelnd betrachtet Lisa das dampfende Wasser. Es muss ihn etliche Kohlen und Zeit gekostet haben, um den uralten Badeofen auf diese Temperaturen zu bringen. Also hat er doch nicht die ganze Zeit durchgeheult.
Kurz darauf liegt sie mit geschlossenen Augen in der Lavendellösung und grübelt. Nicht etwa über den miesen Empfang und die Offenlegung der tief verborgenen cholerischen Veranlagung ihres Vaters … Nein, Chris´ Angebot hat sie eiskalt getroffen. Aber so was von eisig! Damit rauscht das miese Lappenattentat am Morgen von der obersten Kategorie aller Foltermöglichkeiten in den untersten Bereich.
Dabei geht’s im Grunde nicht um diese schwachsinnige Offerte, vielmehr kapiert Lisa genau in diesem Moment, dass sie sich etwas vorgemacht hat. Gar nichts ist einfach, wenn sie nicht ganz schnell die Notbremse zieht.
Sie wollte und will ein seichtes, rein sexuelles Verhältnis, so, wie er es versprochen hatte. Ohne Verpflichtungen, ohne ein Danach – schon gar nicht mit Option auf Verlängerung. Mit einem
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