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Starke Frau, was nun?

Starke Frau, was nun?

Titel: Starke Frau, was nun? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kera Jung
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ich finde es toll.« Und als sie nicht antwortet, legt er einen Arm um sie. »Relax, Baby, die Sonne scheint, es ist Frühling; stellt das denn überhaupt nichts mit dir an?«
    »Doch!«, grummelt sie. »Ich spüre, dass ich heute Abend einen Sonnenbrand habe, wenn wir uns nicht bald aus dem Einfluss dieses Sterns entfernen. Die Ozonschicht ist mittlerweile ziemlich dünn. Ich habe keinen Bock, an Hautkrebs ...«
    »Shut up!« Bevor sie mal wieder weiß, wie ihr geschieht, küsst er sie. Seine Lippen sind unnachgiebig und weich zugleich, und er macht nicht an dieser Stelle halt, sondern erobert ihren Mund; ihre Zungen begegnen sich – wie so häufig zuvor. Wie immer, wenn das geschieht, drohen die Schmetterlinge in Lisas Bauch mit dem kollektiven Selbstmord. Und als sie dann auch noch seine zärtliche Berührung an ihrer Seite spürt und seine Hand nach oben gleitet, bis er den sanften, überhaupt nicht zu kleinen Hügel unter ihrem Pullover findet und zärtlich streichelt, gelingt ihm das, wofür sie ihn mehr hasst als für jede andere so unvorstellbar miese Eigenschaft: Lisa vergisst.
    Ihre Umgebung, dass sie ihn verabscheut, dass ihre Kleidung stinkt, dass sie dringend ein Bad will und am Ende sich selbst ...
    Nach einer Weile wird sie gemeinerweise in die Gegenwart zurückkatapultiert, denn er löst sich von ihr und betrachtet sie dreckig – und wie dreckig! »Eine verlässliche Methode, dich zum Schweigen zu bringen. Es bewahrheitet sich immer wieder.«
    Dafür bekommt er von Lisa einen derben Rempler in den Magen und sie meidet ab sofort den Blick zu ihm. Wie kann man nur so arrogant sein?
    Nach gefühlten zwanzig Stunden legt der rostlastige Dampfer an und Chris meint, jetzt dringend etwas essen zu müssen.
    »Watt? Du hattest doch gerade diese widerlichen ...«
    »Das ist Stunden her, außerdem macht Seeluft nun mal hungrig.« Er mustert sie mit erhobener Augenbraue, dann grinst er wieder. »Nun komm schon!«
    Die beiden sind jetzt im › Rübezahl ‹, was ungefähr das Gleiche ist wie der Naherholungs-Konsumtempel mit Pseudonaturbezug davor. Nach Ewigkeiten können sie in dem jämmerlichen Selbstbedienungsrestaurant mit den Fünfsternepreisen etwas Genießbares ausmachen. Selbst Chris hat so seine Probleme; am Ende entscheidet er sich für ein Hähnchen ... ein ganzes! ... während Lisa alle Vorurteile gegen Kuhmilch in den Wind schlagend einen Joghurt wählt, der nach nichts außer Chemie schmeckt, und sich danach an einem industriell gefertigten Stück Apfelkuchen gütlich tut. Kamillentee führen die selbstverständlich auch nicht. Nebenbei versucht sie anhaltend, nicht zu kotzen, weil der Fleischfresser das tote Huhn in sich hineinschlingt.
    Nach einer Weile schaut er auf. »Hast du die Schlagzeilen gesehen?«
    Lisa nickt. Etliche Leute haben ihre Zeitungen dabei – vorrangig die BILD –, weshalb sie zeitweilig den Kopf extrem eingezogen hat, um sicherzugehen, dass sich nicht alles auf sie stürzt. Oder wohl eher auf Chris, der müsste dann wieder Autogramme verteilen, der arme Hund.
    »Die Demo gestern ist der Aufmacher.«
    »Nicht die Demo«, seufzt sie. »Die hätte kein Schwein interessiert. Eher die Ausschreitungen.«
    »Das war nicht gut ...«
    »Nein.«
    »Bist du schon häufiger in solche Situationen geraten?«
    »Sicher! Du hast keine Ahnung, auf welchen Widerstand wir treffen. Mir hat mal ein Mann erklärt, ich sei eine Zumutung, solle nach Hause gehen und mir von Papi den Hintern versohlen lassen.«
    »Und, hast du?«
    »Manchmal bist du so widerlich.«
    »Ha!« Er hebt einen Finger. »Das manchmal ist neu! Du revidierst langsam deine Ansichten. Was wird Karla nur dazu sagen? Gertrud ...« Seine Augen blitzen. »Ehrlich, deine Auswanderungspläne erscheinen mir inzwischen durchaus plausibel. Was sind eigentlich die Sanktionen wegen der Plakate? Eine Woche lang Mitstrickverbot?«
    Lisa lehnt sich so unvermutet über den Tisch, dass er tatsächlich überrascht wirkt – geringfügig. Wenn er auch um keinen Millimeter zurückweicht.
    »Ich. Hatte. Noch. Nie. In. Meinem. Leben. Eine. Stricknadel. In. Der. Hand. Merk dir das endlich!«
    Darüber muss er scheinbar erst einmal nachdenken. Doch dann nickt Chris und schiebt sich das nächste Stück totes Fleisch zwischen die Zähne. »Häkelnadel? Okay, okay, ich hör ja auf. Aber jetzt ernsthaft, wie haben sie reagiert?«
    »Nicht begeistert, aber sie zeigten Verständnis und ich bekam den heiligen Auftrag, dich vor dem Mikro auseinanderzunehmen.

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