Starke Frau, was nun?
ich muss sagen ...« Während er spricht, breitet er seine Jacke im Gras aus und setzt sich darauf. Andächtig beäugt er die Sonne. »... ich finde es herrlich!« Als Lisa so gar nicht reagiert, wird er unwirsch. »Kommst du jetzt?«
Nur flüchtig schaut sie ihn an. »Nein.«
Und wieder einmal beweist sich, dass der Typ ein waschechter Macho ist. Denn sie kann gar nicht so schnell gucken, wie er sie plötzlich aus dem Kahn hievt und sie neben ihm mit beachtlicher Wucht auf der Jacke landet.
»Du bist so dämlich, ehrlich, du bist ...«
»Shut the fuck up and listen!«, befielt er, weshalb sie selbstverständlich erst recht loslegt. Als Erstes ist der obligatorische Vogel dran, dann keift sie los. »Bist du gegen die Sonne allergisch? Ja? Verursacht die so eine seltsame, gähnende Leere in deinem Schädel, die du bisher nicht interpretieren konntest? Dann lass dir von Lisa helfen, ich kümmere mich ja gern um Kranke und Bedürftige. Also ...«
Längst hat Chris sich zurückgelegt und die Augen geschlossen, während Lisa ihm in aller Form und Güte auseinandernimmt, dass er sie nicht wie eine Puppe zu behandeln hat, dass sie selbst entscheidet, wohin sie geht oder nicht und dass er sich trotz seines verdammten männlichen Geschlechts auch nicht alles erlauben kann.
Ungefähr zwanzig Minuten später verstummt sie – etwas außer Atem und reichlich erschöpft. Es dauert noch eine Weile, dann stochert er mit einem Finger heftig in seinem Ohr herum, nimmt ihn heraus, lauscht angestrengt und nickt. »Really nice.« Seine Lider fliegen auf, er mustert sie gelassen, bevor er sich aufrichtet und die Beine überkreuzt. Mit einem Mal wirkt er ernst - diese Miene kennt sie; so sieht er nur aus, wenn es um etwas Geschäftliches geht.
»Ich wollte etwas mit dir besprechen und mir erschien dieser Ort am geeignetsten, um es an die Frau zu bringen. Ich werde nicht ewig in Deutschland bleiben; wie ich schon am Anfang sagte, bin ich die Feuerwehr, um den Sender zu retten. Das ist geschehen – sicher wird es ein wenig schwierig, wenn der Countdown nicht mehr von uns moderiert wird, aber ich befinde mich bereits auf der Suche nach geeigneten Nachfolgern. Du hast Talent; deine Englischkenntnisse sind nicht überragend, doch das ist nur eine Frage der Übung. Sicher nervst du und ich möchte dich ungefähr dreißig Mal am Tag erschießen, aber als Team sind wir rein beruflich unschlagbar. Also ...« Er räuspert sich und erst jetzt blickt er auf. »Hiermit unterbreite ich dir das offizielle Angebot, mich nach Tampa/Florida zu begleiten. Wir würden dort eine ähnliche Sendung aufziehen wie hier. Über die Einzelheiten können wir uns später austauschen. Überlege es dir gut, dies wäre eine einmalige berufliche Chance. Das war‘s schon.«
Und damit legt er sich zurück – offenbar entschlossen, jetzt mal ein bisschen zu schlafen.
Natürlich!
* * *
Als Lisa etliche Stunden später äußerst in sich gekehrt die Tür zu Roberts Wohnung aufschließt (seit Neuestem besitzt sie einen Schlüssel), blickt sie in drei bleiche Gesichter. Zwei weisen deutliche Heulspuren auf, Hans wirkt relativ gefasst. Er ist es auch, der schließlich das Wort ergreift, auch wenn er ziemlich heiser klingt. »Wo warst du?«
Ach du heilige Scheiße!
* * *
18. Von allen Seiten
Lisa antwortet nicht gleich, sondern schließt erst einmal sehr behutsam die Tür. Zeit schinden ist momentan oberstes Gebot; sie hat nämlich keinen Schimmer, was sie jetzt tun soll. Als Nächstes legt sie ihre Tasche auf den Tisch und blickt aus dem Fenster. Wäre ja immerhin möglich, dass von dort aus Hilfe naht.
Fehlanzeige, hinter dem Glas ist es nur ziemlich dunkel.
Ihr Vater ringt derzeit offensichtlich mit der Fassung, Tränen drohen nicht – wie bei Robert und Mechthild, obwohl die wohl schon vorgearbeitet haben, anhaltend, so wie Augen und Nasen aussehen.
Stattdessen wirkt ihr Papa leicht aggressiv – irgendwie, was ja echt witzig ist. Bisher hätte Lisa nämlich geschworen: Hans-Dieter Radtke sei der friedfertigste Mensch, der jemals unter der Sonne wandelte. Gleich nach Gandhi. Noch nie ist es ihr gelungen, ihren Vater wütend zu machen – na ja, diese Hürde hat sie wohl endlich genommen.
Als niemand etwas sagt, räuspert sie sich notgedrungen. »Ich war gestern bei der Demo ...«
Alles starrt sie an; Robert sollte übrigens mal seine Brille putzen, denn Lisa bezweifelt echt, dass der überhaupt noch was sieht, so fleckig, wie die ist.
»Da waren ein
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