Starke Frau, was nun?
Strickklamotten zu tragen und den Umweltschutz zu propagieren! Nichts steckt dahinter, nur eine kalte, emotionslose Person, der es scheißegal ist, ob sie über Leichen geht oder nicht.« Chris lehnt sich zurück. »Now, it´s your turn!«
Das lässt Lisa sich nicht zweimal sagen. Für die kommenden zwei Stunden giftet sie ihn nach allen Regeln der Kunst an. Sie spart nichts aus: Weder seine verdammte Machotour ... »Erzähl mir doch nicht, du würdest auch nur einen einzigen Satz vortäuschen! So gut ist niemand, und du schon gar nicht! Du hast wohl vergessen, dass ich dich genau so kennengelernt habe: arrogant bis zum Abwinken, beleidigend, frauenfeindlich – ein Arsch, wie er im Buche steht, und da wusstest du noch nicht, wer ich bin. Auf einmal stellst du dich wie ein Moralapostel hin und ich bin hier das abstoßende Beispiel!«
Über ...
»Sicher, das hast du ja glänzend zustande gebracht, oder? Ich bin an allem schuld, weil es ja meine Mädchen waren, und du kannst dich mit deinem Scheißgrinsen so fantastisch aus der Affäre ziehen. Dabei hatte ich damit überhaupt nichts zu tun!«
Bis hin zu:
»Sitzt da mit diesem blasierten Grinsen, quatscht die Leute auf diese scheiß Amitour voll - die sie nicht mal verstehen können - unternimmt alles, um sie aufzuwiegeln und tut dann bekotzt erstaunt. Heuchler!«
Nachdem sie ihn also nach allen Regeln der Kunst angebrüllt hat, treibt sie seine arrogante Ruhe zunehmend in den Wahnsinn. Übrigens moderieren sie nebenbei fleißig weiter. Und schon, weil Lisa ihm beweisen will, dass sie durchaus professionell ist, gelingt es ihr – bei fünf von zehn Versuchen - sogar, das Zischen aus der Stimme zu halten.
Es ist kurz vor sechs; die Sendung neigt sich endlich dem Ende zu, was Lisa sehr begrüßt, denn neben ihrer unvorstellbaren Wut ist sie todmüde.
»Und was ich dir schon immer mal sagen wollte: Du bist der hässlichste, widerlichste, unangenehmste und unerträglichste Mann, der mir jemals begegnet ist. Ich kann dich nicht ertragen!«
»Tja, Guys, das war´s; die lange und spontane Nacht des Countdown s neigt sich dem Ende zu. Ich hoffe, ihr müsst heute Morgen nicht arbeiten gehen, sondern könnt euch jetzt schlafen legen wie wir. Mailt uns eure Meinung, wir freuen uns über jede Nachricht. Ansonsten bleibt uns an dieser Stelle nur noch eines: Gute Nacht und bleibt uns treu!«
»Gute Nacht, allerseits!«, zwitschert Lisa ins Mikro. So schnell hat sie noch nie die Regler betätigt und den verdammten Uraltsong von Wham! eingespielt: ›Wake me up, before you go, go!‹
»Dazu hast du natürlich nichts zu sagen, oder?«, faucht sie weiter.
Ohne zu antworten, steht er auf, packt seine verfluchten Unterlagen zusammen – in dieser Nacht ist jede Menge Papier zusammengekommen –, klemmt sich alles unter den Arm und sieht durch das Glas in den Vorraum. Neben dem total übermüdeten Storch steht Gustav da, der für die Morgensendung verantwortlich ist. Chris nickt ihm zu und sieht sich nach Lisa um. »Come on!«
Anstatt auf ihre Erwiderung zu warten, geht er. In jedem anderen Fall hätte sie ihm ihren berühmten Stinkefinger demonstriert und ihn zur Hölle gejagt – verbal. Natürlich.
Doch nicht heute. Wütend stürmt sie an Gustav und dem Storch vorbei und meidet wie üblich den Aufzug. In den steigt natürlich dieser idiotische Floridaliebhaber, ohne sich darum zu scheren, ob sie seinem Befehl auch Folge leistet. Der Heini! Als sie kurz darauf sein Büro erreicht, hält er ihr bereits die Tür auf – die Miene eisig, wie immer. Sie bedenkt ihn mit einem besonders boshaften Blick und betritt den kleinen Raum. Hinter sich hört sie, wie er die Tür schließt.
Dann folgt etwas, was sie nicht unbedingt erwartet: Der Riegel wird umgedreht und in der nächsten Sekunde geschieht das, was ja nun völlig ungeplant ist. Eine Hand packt ihren Arm, sie wird herumgewirbelt, gegen den Schreibtisch geschubst. Dann findet sie sich viel zu nah an jener breiten Brust wieder, die sie doch nie mehr von Nahem sehen wollte, und schaut in eisige Augen.
Chris sagt nichts, kein Wort kommt; da ist nur dieser kalte Ausdruck, dieses verdächtige Blitzen, die Lippen, die wieder nur einen Strich bilden, und die Luft, die heftig durch die Nase eingesogen und ausgestoßen wird.
Lisa muss einsehen, dass sie nichts sagen kann; keine geharnischten Proteste wandern wie von selbst aus dem Kopf auf ihre Zunge. Ihre Fäuste schlagen ihn nicht, sie tritt auch nicht nach ihm. Stattdessen
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