Starke Frau, was nun?
die Stadt durch Interviewanfragen unterwandert, was Lisa ja keineswegs schlecht findet.
Der Ami spricht nicht mehr über diese verkorkste Nacht – außer in diesen verdammten Interviews, natürlich. Nach zwei Wochen nerven die ewig gleichen Fragen akut. Er gibt sich betont lässig, grinst in die Kameras, zieht Lisa allabendlich am Mikrofon auf und sie zahlt es ihm mit gleicher Münze heim.
Die durchgeknallten Gehirnamputierten lassen nichts verlauten und auch von der Berliner Parteizentrale kam bisher keine Nachricht. Das zieht Lisa ein wenig runter, sie hatte nämlich gehofft – in Ordnung, eigentlich erwartet –, dass die sich nach all den Jahren, die sie sich für den verdammten Verein aufgeopfert hat, etwas loyaler verhalten würden.
Die Versammlung vor dem Sender hat auch den Suffragetten durchaus positive Publicity eingebracht. Längst nicht alle Mails, die Chris und Lisa erreichen, sind positiver Natur. Die Moderatorin durfte bereits die eine oder andere › Cashhure ‹ einstecken. › Verräterin ‹ ist auch häufig vertreten, daneben diverse Zweifel an der Aufrichtigkeit ihrer Äußerungen.
Sie steckt es erstaunlich gut weg, denn andere Dinge treten zunehmend ins Rampenlicht, die derartige Beleidigungen schlichtweg in den Hintergrund verbannen.
Chris hat die zahlreichen Interviews genutzt, um anklingen zu lassen, dass er zurück nach Florida gehen und ein anderes Moderatorenpaar die Sendung übernehmen wird. Es wird langsam dringend, ihm zu erklären, dass sie nicht vorhat, ihn zu begleiten. Noch ist Zeit; der Wechsel wird erst Ende Juli erfolgen. Vorher befinden sich beide im Urlaub und der fette Stefan übernimmt so lange die Moderation. Bisher hat ihr werter Kollege und Boss sie nicht noch einmal auf sein Angebot angesprochen.
Möglicherweise steht es auch nicht mehr, doch das kann sich Lisa eigentlich nicht vorstellen. Sie ahnt, dass er vor dem Urlaubsbeginn das Thema aufbringen wird. Nun ja, sie muss ja auch noch etwas offenbaren.
Ihm und den Zuhörern.
Außerdem wird sie ihm ganz nebenbei verklickern, dass sie ihren Job behalten will.
Alles in allem keine guten Voraussetzungen, aber gut genug, um Lisa bestens von den unangenehmen Geschehnissen abzulenken.
Denn über allem steht auch noch die Hochzeit. Bislang hatte sich Lisa ideal heraushalten können. Dies ist vorbei, als es eines Morgens Sturm klingelt und ihre Mutter strahlend vor der Tür steht.
»Was ...?«
»Schätzchen, du willst heiraten !« Sie betont es, als hätte Lisa das noch nicht ganz begriffen. Die kratzt sich verschlafen den Schädel. »Und?«
Mechthilds Glupscher nehmen überdimensionale Größe an. Lisa hat ihre Mutter bisher noch nie so aufgedreht gesehen. »Du hast noch kein Kleid!«
»Was für´n Kleid?« Lisa versteht nur Bahnhof.
Doch Mechthild, neuerdings manisch veranlagt, lässt sich nicht in ihrer irren Begeisterung bremsen. »Dein Hochzeitskleid, du Dummerchen!«
Bevor Lisa weiß, wie ihr geschieht, wird sie ins Bad geschoben, und keine halbe Stunde später befindet sie sich mit der manischen Frau auf den sonnigen Berliner Straßen.
Es ist ein Albtraum! Obwohl sie ja noch Glück hat, schätzt Lisa, denn Mechthild versucht erst gar nicht, sie zu einem Traum in weißer Spitze zu überreden, aber die Alternative ist auch nicht viel besser. Nichts Gestricktes – nein, nein –; hier sind Stoffe verwendet worden, die unter Garantie von Kindern hergestellt wurden, die zeit ihres Lebens unsäglich leiden müssen. Darauf weist Lisa ihre Mutter auch mehrfach hin, doch die will davon so gar nichts hören.
»Ja, die Welt ist verrucht und wir leben in ihr, aber manchmal ist mir das ...« Sie sieht auf und lächelt teuflisch. »… scheißegal!«
»Genau das ist die Einstellung, die dafür sorgt, dass sich niemals etwas ändern wird!«, beharrt Lisa.
»Kind?«
»Was?«
»Halt den Mund! Die Welt kannst du auch noch später retten. Jetzt kaufen wir ein Hochzeitskleid!«
Lisa, die ihre Mutter bereits länger kennt, weiß, dass sie ausgespielt hat, denn wenn die diesen Ton anschlägt, hilft kein einziges ihrer Argumente – von denen Lisa jede Menge auf Lager hat.
Und so nimmt das Drama seinen Lauf.
Nach Stunden endloser Anproben haben sie sich auf ein helles, schmales Ensemble geeinigt, das wundervoll zu ihrem dunklen Haar und Augen passt, wie die dämliche Verkäuferin mit Mechthild im Duett säuselt. Lisa, die erst diskutieren will, entscheidet sich, klein beizugeben. Im Grunde ist ihr furchtbar egal, was
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