Starke Frau, was nun?
erwidert sie seinen Blick, ihr Atem kommt verdammt stoßweise und die Lippen teilen sich. Muss an dem Treppensteigen liegen.
Und als schließlich sein Gesicht näherkommt, schließt sie die Lider ...
Unerwartet sanft berührt sein Mund ihren. Eine Hand taucht in ihrem Nacken auf, die andere auf ihrer Wange, und sie hört ihr unfreiwilliges Seufzen. Sie öffnet die Lippen weiter, ergibt sich so verboten schnell, heißt seine Zunge willkommen, gewährt ihr Einlass und drängt sich derart leidenschaftlich in seine Arme, dass ihr selbst innerhalb des Nebels, der sie immer befällt, wenn er ihr so nah ist, angst und bange wird.
Nein! , denkt sie.
Doch ...
Sein Griff ist fest und sanft zugleich, und sie legt ihre Arme um ihn. Ihre Finger finden seine Schläfe, tasten sich hinauf in sein Haar, ein Bein schlingt sich um ihn, zieht ihn näher, während ihr Hintern sicher an der Tischkante lehnt. Leidenschaftlich erwidert Lisa seinen Kuss, hört sich erneut seufzen, ihn in der Ferne stöhnen; als sie sich an ihm bewegt, befiehlt sie sich, alles zu vergessen, was ihr verdammt leicht gelingt, während er keine Anstalten macht, den Kuss zu beenden. Es fühlt sie so richtig an, sogar tröstend, auf jeden Fall bestechend und mit der Option auf viel, viel mehr.
Immer härter wird gekämpft: mit Zungen, Händen, Hüften. Haare werden zerwühlt, Kleidung hoffnungslos verrutscht …
Und dann ist es vorbei. Es geschieht zu abrupt, selbst für seine Verhältnisse.
Ohne sie anzusehen, lässt er sie los, nimmt seine Jacke und geht.
Einfach so.
Verzweifelt bemüht Lisa sich, zu sich zu kommen. Sie will ihm nachstürzen, ihn zur Rede stellen, ihn fragen, was der Scheiß soll! Doch sie tut nichts, abgesehen davon, mit bebenden Lippen und wild pochendem Herzen auf die Tür zu starren, durch die er längst verschwunden ist.
Irgendwann geht ein Ruck durch sie und sie schlurft in den Konferenzraum, greift ihre Jacke und verschwindet.
Als sie sich auf ihr Rad setzt, ist der Himmel eisig grau. Es ist noch kühl, doch die Vorboten des ersten wahren Sommertages sind unübersehbar.
Robert empfängt sie mit einem besorgten Lächeln, einem leidenschaftlichen Kuss und ... Pudding . Lisa will ihn anschreien, will ihm die Schale vor die mit Filz bekleideten Füße werfen, will ihm sagen, dass sie kein Kleinkind ist, bei dem ein verdammter, süßer Brei alles klärt!
Doch sie tut nichts dergleichen, sondern sitzt stattdessen artig neben ihrem Verlobten, der auch nur zweimal nervös auf seine Uhr schaut – schließlich wartet das Labor –, und berichtet von den Vorfällen der vergangenen Nacht.
Seine Augen sind groß; er nickt manchmal und stellt einige Fragen, die allerdings verdächtig nach Small Talk klingen. Als er schließlich mit der ewig bedauernden Miene aufsteht und verkündet, dass er zur Arbeit muss, war Lisa nie glücklicher.
Kurz darauf liegt sie im Bett, doch obwohl sie hundemüde ist, will der Schlaf nicht kommen. Möglicherweise, weil es vor dem Fenster immer heller wird und die Sonne tatsächlich irgendwann hoch oben an einem wolkenlosen Himmel steht.
Oberflächlich? Verwöhnt? Egoistisch? Kindisch? Keines dieser Attribute hätte Lisa für sich verwendet. Wenngleich sie noch immer seinen Kuss spürt – Robert hat daran nichts ändern können –, stellt sich bereits wieder Wut ein. Das ist ganz gut, denn sie ist nebenher auch noch ziemlich verwirrt.
Warum Chris ging? Sie hat keinen Schimmer. Noch weniger weiß sie, was sie von ihrer Reaktion auf seine Annäherung halten soll. Denn sie hätte ihn in sein Appartement begleitet – sie gesteht es sich ein, weil es sonst niemand mitbekommt. Ein Wort, nur ein auffordernder Blick und sie wäre ihm wie ein Hund gefolgt. Das ist nicht gut, schon gar nicht, wenn er sie so sieht, so ... abgrundtief hässlich . Voller Verachtung und Spott hat er sie gemustert, worüber Lisa ja nur müde lachen kann.
Spöttisch – nun, das war von jeher seine Masche.
Doch da war auch Enttäuschung, und Lisa fällt beim besten Willen keine Erklärung dafür ein.
Als sie schließlich endlich einschläft – der kleine Zeiger des uralten Weckers hat die Zehn längst passiert –, ist sie zu dem Entschluss gelangt, sich in Zukunft äußerst reserviert zu verhalten. Das ist die einzige Reaktion, die für sie Sinn ergibt.
* * *
Die kommenden Wochen vergehen wie im Flug.
Das mag an dem riesigen Hype liegen, den die nächtliche Aktion verursacht hat. Immer häufiger werden die Topfthemenreisen durch
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