Starke Frauen
länger als drei bis vier Stunden, raucht nicht, trinkt keinen Alkohol, kocht nie, hat keinen Führerschein.
Als sich 1980 die Grünen als Partei konstituieren, wird Petra Gründungsmitglied und gehört dem Vorstand an, zuständig für internationale Kontakte. Vier Jahre später kommen die Grünen ins Parlament. Petra wird in den dreiköpfigen »Sprecherrat« der Fraktion gewählt, findet allerdings das Niveau der geistigen Auseinandersetzungen »grauenvoll«.
1982 erhält sie den Alternativen Friedensnobelpreis, wird immer spannender für die Medien – aber schlittert in die Isolation. Von den Großen wird Petra respektiert: Heinrich Böll, Joseph Beuys, der Dalai Lama, Michail Gorbatschow und Erich Honecker laden sie ein. Die amerikanische Frauenorganisation »Women Strike for Peace« kürt sie zur »Frau des Jahres«, Die Zeit bezeichnet sie als »weltliche Nonne«.
Für die Parteibasis jedoch ist der grüne Star ein Dorn im Auge. Sie redet zu schnell, nervt mit ihrem Übereifer, spart nicht mit Kritik an der Partei, ist selbst aber extrem dünnhäutig. »Eine Träne von der Kelly – und wir gehen geschlossen«, droht die Fraktion. Als sie 1985 aus dem Amt rotiert wird, bedauert es keiner. Zur Bundestagswahl 1990 wird sie nicht mal mehr aufgestellt.
Petra pendelt zwischen Ablehnung und Anerkennung. Ihre Panikattacken häufen sich. Der richtige Augenblick für den nächsten Mann mit starken Schultern: Gert Bastian, 24 Jahre älter, verheiratet, zwei Kinder, einstiger Berufssoldat. Seit Juni 1980 ist er vorzeitig pensioniert, weil ein Generalmajor, der gegen Atombomben wettert, für die Bundeswehr nicht tragbar ist. An Allerheiligen 1980 haben sich die beiden »Grünen« kennengelernt, am 16. November formuliert er den »Krefelder Appell« gegen die Nato-Nachrüstung und wird zur Galionsfigur der Friedensbewegung. Im Bundestag sitzt er neben Petra, legt ihr Blümchen auf die Bank.
Er zieht in Petras Reihenhaus in Bonn-Tannenbusch ein, feiert Weihnachten aber nach wie vor mit seiner Familie in München. Sie klammert sich an ihn und degradiert ihn gleichzeitig zum Laufburschen. Im Ausland ist sie gefragter denn je. Und irgendjemand muss die Reisen organisieren und ihre Koffer packen: »Eine Frau muss heutzutage einen Hausmann haben«, bekundet sie halb ironisch. Sie ist sein »Pedilein«, er ihr »Gertilein«.
Die Lage muss unerträglich sein – für beide. »Wenn ich gehe, bleibt Petra im Bett liegen, isst nichts mehr und verhungert«, klagt er. Ihre Hilflosigkeit belastet ihn. Aber er genießt das politische Jetset-Leben an ihrer Seite. Zu den Grünen haben die beiden kaum noch Kontakt.
Als sie sich in Palden Tawo (älter, verheiratet, drei Kinder) verliebt, fährt er sie zu ihrem Geliebten nach Lüdenscheid, wo der tibetische Arzt arbeitet, und wartet im Auto. Im Herbst 1991 verlässt Tawo sie.
Petra bricht zusammen. Sie sucht Halt im Übersinnlichen. In London besucht sie eine Hellseherin (die ihr Grüße von ihrer toten Schwester Grace ausrichtet). In Moskau lässt sie sich von der berühmten Wahrsagerin Dunja die Zukunft vorhersagen. Bastian legt Patiencen. Immer wieder sagt sie, sie wolle nicht leben ohne ihn. Hat er ihr diesen Wunsch erfüllt, als er nicht mehr weiterwusste? Am 30. September 1992 kritzelt sie in einem Berliner Hotel einen Aufgabenzettel: »Mein Gertilein! 1) Bitte rufe Blumen Domberg an (früh) in Bonn: 1 Schale für 1. Okt. – 50 DM. Omis Geburtstag. Mit Karte: Gert-Petra umarmen dich fest zum 87. Geburtstag – Gottes Segen für dich. 2) Bahnkarte. 3) Wo liegt Sachsenhausen? 4) Frühstück bis ...? (wenn bis 10.30 mich um 10.00 wecken). Ich liebe dich.« Am 1. Oktober sind die beiden zu Hause. Sie geht ins Bett und liest vor dem Einschlafen Goethes Briefe an Charlotte von Stein. Seine Pistole hat zwei Kugeln. Die erste trifft die Schlafende in die Schläfe.
Mit der zweiten tötet er sich selbst. Erst 18 Tage später alarmiert Bastians Frau Rosemarie die Nachbarn, da er sich nicht meldet.
Petra, die Einser-Schülerin mit eisernem Ehrgeiz, was war sie nun: Masochistin? Missionarin? Märtyrerin? Eines wollte sie jedenfalls schon als Kind werden: »Engagierte Nonne in der Dritten Welt.«
»Ja, aber sie ist doch nicht begabt«, murmelt ihre Mutter Frieda fassungslos, als sie erfährt, dass Hilde auf der Filmhochschule in Babelsberg aufgenommen wurde. Für die alleinerziehende Siemens-Sekretärin (der Mann starb sechs Monate nach Hildes Geburt) ist Schauspielerei kein Beruf, von dem
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