Starke Frauen

lädt sie zu einer Talkshow mit Hubert Humphrey ein, dem Top-Mann der Demokraten. Sie streitet mit ihm, er ist beeindruckt, sie werden Freunde.
    Trotz allem ist sie eine Einzelgängerin. Lebt nicht, funktioniert.
    Nicht einen Flirt, geschweige denn ein Rendezvous hat sie in ihrer College-Zeit. Für Liebe fehlt ihr die Zeit, Sex ohne Liebe interessiert sie nicht. Ihre Leidenschaft ist und bleibt: Politik. Und dann passiert etwas, das nicht auf ihrer Tagesordnung steht: Grace, ihre kleine Halbschwester, erkrankt an Augenkrebs. Petra liebt das Mädchen abgöttisch. Sie versteht nicht, wieso dieses unschuldige Kind so leiden muss, sucht nach dem Grund und identifiziert bald den Sünder: die Atomenergie. Damit hat sie ihren Feind gefunden und wird das »Teufelszeug« für den Rest ihres Lebens bekämpfen.
    Auf der Suche nach einer eigenen »Waffe« beginnt sie, ihre »Power-Letters« zu verschicken. Zum Beispiel an den Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger. Da Stiefvater Kelly nach Würzburg versetzt wurde und Petra mit ihrer Familie Weihnachten verbringen möchte, aber kein Geld für ein Flugticket hat, schildert sie ihm Grace’ Zustand – und bekommt das Reisegeld.
    Sie bittet Papst Paul VI. um eine Privataudienz, weil sie glaubt, dass nur noch ein Wunder Grace retten könnte. Die Kelly-Schwestern werden am 25. Juli 1968 im Vatikan empfangen, an dem Tag, an dem der Pontifex seine »Pillenenzyklika« veröffentlicht, in der er die Empfängnisverhütung verbietet. Doch die erhoffte Wunderheilung bleibt aus, Grace’ Tod ist für Petra »das größte Unglück«, das sie je erlebte.
    Zwei Jahre zuvor begegnet sie Robert Kennedy, schwärmt wie ein Backfisch: »Als Kennedy sprach, knipste ich wie verrückt.« Seitdem verkörpert er für sie ihr Traum-Amerika, das für Freiheit, Gleichheit und Toleranz steht. Kennedy lädt sie zu einem Gespräch ein. Doch Petra – wie unerhört! – sagt ab, weil sie an einer Semesterarbeit schreibt.
    Sie wird Wahlhelferin in seinem Kampf um die Präsidentschaft. Er kommt oft nachts in das Wahlbüro, um über seine politischen Ziele zu plaudern. Am 6. Juni 1968 wird er erschossen. Petra bricht in Tränen aus. Amerika wird zum Albtraum. Sie macht noch ihr Examen, natürlich mit Eins, und es wimmelt von Job-Angeboten, aber sie will zurück nach Europa.
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    »Ein gerechtes Ziel lässt sich nicht mit ungerechten Mitteln erreichen«
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    Brüssel, der Sitz der Europäischen Gemeinschaft, bei der sie als Verwaltungsrätin im Wirtschafts- und Sozialausschuss angestellt wird, ist ein Kulturschock: monströser Beamten-Ameisenhaufen, Sekretärinnen mit Dauermigräne, aufgeblasene Wichtigtuer. Für eine Kämpfernatur nicht gerade der Traumberuf. Als ihr die Eifersüchteleien und das Postengeschacher zu viel werden, marschiert sie kurz entschlossen zum Kommissionspräsidenten Sicco Mansholt. Ihr Zorn entzückt ihn, er verabschiedet sich mit einem Kuss auf die Wange. Petra ist durcheinander, sie hat ja bislang ungeküsst wie eine Nonne gelebt. Der 64-Jährige und die 24-Jährige werden ein Paar. Der Genussmensch überreicht der zierlichen Asketin 30 rote Rosen und teilt ihr mit, dass er mit ihr zusammenleben möchte. Doch sie sucht keinen Gatten, eher jemanden, der ihr den Alltagskram abnimmt, und schickt den Macho mit ihrer Wäsche in die Reinigung. Sicco Mansholt kehrt zurück zu seiner Frau. Von jetzt an werden alle ihre Beziehungen nach diesem Muster ablaufen: ein wesentlich älterer, verheirateter Mann mit Macht, den sie quasi »kastriert«, da sie ihm einen Rollentausch aufzwingt.
    In Deutschland formiert sich seit 1975 eine beachtliche Anti-Atom-Bewegung. Petra, obwohl bis 1983 Beamtin in Brüssel (mit 3000 DM netto), mischt mächtig mit. Hier kann sie endlich etwas bewegen, die zersplitterte Basis vernetzen. Sie ist eine begnadete Agitatorin, überzeugt mit Sachwissen. Kelly gegen Kernkraft fällt (mal wieder) auf ...
    Jetzt verliebt sie sich in den irischen Gewerkschaftsführer John Carroll: 21 Jahre älter, verheiratet. Petra erwartet, dass er sich ihrem Terminkalender unterordnet. Sie wird schwanger, entscheidet sich für einen Abbruch,er bringt Nelken ins Krankenhaus, sie hasst Nelken. Trennung.
    Wie stets in Zeiten emotionaler Turbulenzen stürzt sie sich in die Arbeit, reist nach Japan, Australien, Amerika, wo sie mittlerweile als Vertreterin der europäischen Atom-Gegner wahrgenommen wird: »Man muss sich selbst vergessen, wenn man die Welt ändern will.« Sie schläft über Jahre kaum