Starke Frauen
Hauptrolle erhält: in Silk Stockings von Cole Porter, der die Knef 1952 in der Hollywood-Schnulze Schnee am Kilimandscharo an der Seite von Gregory Peck gesehen hat. Die Premiere am 24. Februar 1955 ist ein Triumph. Marlene Dietrich umarmt den Star nach der Vorstellung und flüstert: »Du wirst es schaffen, denke an nichts als daran.« Die Knef ist auf dem Höhepunkt ihrer Karriere als Schauspielerin: »Ich habe es genossen, berühmt zu sein«, wird sie später sagen. Gefragt, wo sie zu Hause sei, antwortet sie: »Nirgends. Ich wohne seit mehr als drei Jahren in Hotels. Allein sein zu können, das ist wichtig, wenn man arbeiten will.
Die Liebe? Nee, die kann man sich nicht leisten.« Sie verbringt viel Zeit mit ihren Freunden Tennessee Williams und Ludwig Marcuse, lässt sich von dem Star-Astrologen Carroll Righter die Sterne deuten und malt wieder, um zu entspannen.
----
»Dauernd zu kämpfen. Ist das nicht schrecklich?«
----
Aber sie ist über 30. Und die deutsche Filmbranche ändert sich. Der Autorenfilm ist angesagt. Die Knef gehört als ehemaliger UFA-Star zu »Opas Kino«. Sie gilt als Kassengift, dreht obskure Filme in England und Frankreich, um über die Runden zu kommen. Ihre Karriere scheint 1962 beendet. Und nun? Sie schreibt Lieder. Wohlgemerkt: Auf den Straßen revoltieren die antiautoritären 68er-Studenten und der Musikmarkt wird von den Beatles beherrscht. Am 26. November 1968 steht sie auf der Bühne der Berliner Philharmonie, als erste Chansonsängerin überhaupt.
Mit Songs, die sie selbst getextet hat: »Von nun an ging’s bergab«, »Tage hängen wie Trauerweiden«, »Für mich soll’s rote Rosen regnen« – lauter raffinierte, verruchte Short-Storys, die keine heile Welt besingen, vielmehr von ihrem Frust und Ärger erzählen. Die Knef überzeugt Kritiker, füllt Konzerthallen. Sie wähnt sich zurück in den Armen der Deutschen.
Von wegen. Im selben Jahr bekommt Hildegard Knef ihr erstes Kind, im Alter von 42. Späte Schwangerschaften sind verpönt. Die Gesundheitdes Kindes sei gefährdet. »Sie strickt und häkelt nichts«, bemängelt eine Schlagzeile. Schlimmer als die öffentliche Entrüstung ist die Reaktion des Vaters: David Cameron, britischer Schauspieler, sieben Jahre jünger, seit 1962 Hildes zweiter Ehemann, will das Kind nicht: »Ich sah, dass er mich hasste. Er schwieg mich in den Wahnsinn.« Doch vor allem: Das Bild einer Rabenmutter, das ihr anhaftet, zeigt Wirkung, Hildes Karriere als Sängerin stagniert. Und jetzt? Sie schreibt, um aus dem Tief herauszukommen. Diesmal ist es ein Buch. Am 4. August 1970 wird Der geschenkte Gaul ausgeliefert. Es ist die erste Autobiografie einer deutschen Schauspielerin. Sie schreibt im Stakkato-Rhythmus. Szenen, häppchenweise. Trägt ihre Niederlagen in die Öffentlichkeit. Als könnte sie mit ihrem Leben fertigwerden, indem sie es noch einmal erzählt. Vier Millionen Bücher werden weltweit verkauft.
1975. Der nächste Tabubruch. In ihrem Buch Das Urteil erzählt sie, wie sie ihren Brustkrebs besiegte: die Qualen der Brustamputation, Strahlenbehandlung, Medikamentensucht. Obwohl man zu der Zeit den Krebs in Todesanzeigen als »langjähriges Leiden« verschweigt, weil die Krankheit als ein Symbol gesellschaftlicher Missstände und des Versagens wahrgenommen wird. »Du armes Schnuck«, schreibt Marlene Dietrich, »Du hattest dein ganzes Leben lang Kummer, vor einigen Jahrhunderten hätten sie dich zu einer Heiligen für Ausdauer gemacht.« Dieses grandiose Ich-Buch wird zur Lebenshilfe für unzählige Betroffene.
Doch wieder liegen Triumph und Tragödie nah beieinander. Schon Ende des Jahres vermelden erste Schlagzeilen ein Ehedrama im Hause Knef, der Scheidung folgen eine Schlacht um das Sorgerecht und Depressionen. Hildes Ruhm setzt Patina an. Sie malt, bekennt sich als erste Prominente zu einer Schönheitsoperation (»Ein Facelifting ist besser als Valium«) und erntet Empörung. Jetzt muss sie in TV-Serien auftreten, um Steuerschulden zahlen zu können. Die Knef hat um die 35 Millionen Mark verdient. Als sie 1977 ihren dritten Mann, den um 15 Jahre jüngeren ungarischen Baron Paul Rudolf von Schell heiratet, sind etwa 1,8 Millionen übrig: »Zwölf Jahre später hatten wir nicht eine müde Mark«, gibt er zu, »und Schulden von 250 000.« Aber nicht einmal dafür interessieren sich die Medien noch. Und das schmerzt besonders, dennHilde ist nach den Dekaden einer »Liaison« mit der Presse schlagzeilensüchtig geworden. »Ich
Weitere Kostenlose Bücher