Starke Frauen
Wir-sind-wieder-wer-Euphorie die Kaiser-Krone auf, Romy wird zur Projektionsfläche des Aufschwungs. Ihr selbst kommt die Hysterie verdächtig vor: »Bin ich vielleicht nur eine Seifenblase, die so recht schillert von Glück und eines Tages platzt?« Sie wünscht, mal in einer »richtigen Kneipe Würstel (zu) essen, ohne dass jemand zuschaut und kontrolliert«. Also weigert sie sich, einen vierten Sissi-Film zu drehen. »Ich kam mir wie ein österreichischer Schmarrn vor, den man verschlingen wollte.« Daraufhin wird aus dem Liebling der Nation eine undankbare Vorgestrige. Der Spiegel schreibt: »Als Schauspielerin ist das herzige Maderl eine glatte Niete.« Sie klagt: »Hier behandelt man mich wie deutsches Nationalgut.«
Magdas zweiter Mann, der Gastronom Hans Herbert Blatzheim, der in seinen Restaurants »Hühnerbrüstchen à la Romy« serviert, legt ihr einen Koffer mit einer Million Mark in bar zu Füßen, damit sie ihre Meinung ändert. Vergeblich. Romy lässt sich von ihrem »Daddy« (»Er hat versucht, mit mir zu schlafen. Und das nicht nur einmal!«) nichts mehr sagen. Sie fleht: »Gebt mir endlich eine Rolle, mit der ich beweisen kann, was in mir steckt.« Kriegt sie nicht. Also stellt sie fest: »Ich könnte nie mehr hier leben.« Wo dann? Sie hat ja keine richtige Familie, keine Freunde, nichts, das sie erden würde. Dreht sie nicht, weiß sie nicht, was sie mit sich anfangen soll.
Und dann kommt Alain Delon, »fescher« Franzose, Leinwandpartner in der Verfilmung von Arthur Schnitzlers Liebelei . Romy wird noch während der Dreharbeiten seine Geliebte: »Weil alles Deutsche mir wehtut ... Ich bin jetzt Französin.« »Mamilein« ist hysterisch, »Daddy« cholerisch, die Nation wirft dem »Franzosenflittchen« Vaterlandsverrat vor. Während Konrad Adenauer und Charles de Gaulleversuchen, die Völker politisch zu verbinden, sind die Franzosen für die deutschen Stammtischler immer noch Feinde. Unvergessen die beiden Kriegsniederlagen, die auferlegten Reparationen. Und jetzt erbeutet ein gallischer Hahn auch noch die süße Jungfrau! Und heiratet sie nicht einmal!
Romys Liebesaffäre wird zur »Staatsaffäre«. Je mehr die deutsche Presse auf ihr herumtrampelt, umso mehr Verständnis bringen ihr die Franzosen entgegen.
Alain bleibt für Romy »der wichtigste Mann in meinem Leben ... Nur Alain hat mich als Frau geformt. Er hat mich zwar verlassen und mir einen großen Schmerz zugefügt, doch dadurch bin ich gereift.« Als sie ihn mit einem Mann im Bett erwischt, ist sie schockiert.
Einer von Alains Liebhabern ist Luchino Visconti ( Der Leopard ). Er nimmt sie ernst, verpflichtet sie für ein Theaterstück. Fünf Tage vor der Premiere kommt sie mit Blinddarmdurchbruch ins Krankenhaus. Jean Cocteau schickt ein Brieflein: »Frankreich befiehlt dir, wieder gesund zu werden.« Die Premiere im März 1969 ist ein Triumph: »Durch Luca bin ich ein anderer Mensch geworden – und eine Charakterdarstellerin: Ich wusste, ich bin besser als Alain!« Nie wieder wird sie so selbstsicher sein: »Das war eine ehrliche Leistung. Die einzige in meinem Leben, auf die ich stolz bin.«
Theatertournee in Marokko, Hauptrolle in Orson Welles’ Verfilmung von Franz Kafkas Der Prozess , ein siebenjähriger Vertrag mit Columbia in Hollywood. Romy, der Weltstar, schuftet: »Ich bin zu selbstständig geworden – und das ist gefährlich für eine Frau.«
Als sie von ihren Dreharbeiten in Amerika zurückkehrt, findet sie in ihrer Pariser Wohnung einen Zettel: »Bin mit Nathalie nach Mexiko. Alles Gute, Alain.« Sie schneidet sich die Adern auf, wird gerettet. Und die Deutschen, obwohl schadenfroh, fühlen sich in ihrer Nationalehre verletzt.
Romy wächst an ihrem Schmerz: »Ich muss lernen, zu leben.« Soll heißen: »Was ich nie gehabt habe: ein Haus, das ein Heim ist. Das ist ein Traum, den ich mir bald erfüllen werde.« Doch vor allem: »Ich brauch Stärke. Einen Mann, der mich gewaltsam in die Knie zwingt.« Soll sie haben. Einen Deutschen.
Harry Meyen, ein KZ-Überlebender, ist Regisseur und Schauspieler. Wenige Stunden nach der ersten Begegnung im April 1965, bei der Einweihung des Berliner Europa-Centers, eröffnet sie ihm: »Harry, ich will ein Kind.« Sie bezahlt die Abfindung, die Meyens Ehefrau für die Scheidung verlangt (200000 Mark). Sie hört auf zu filmen, kocht Königsberger Klopse, Harrys Lieblingsgericht. Wird schwanger und sagt nach der heimlichen Hochzeit: »Harry ist mir so überlegen. Jetzt habe ich
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