Starke Frauen
wesentlich höher als bei anderen.
Eines Tages tritt Pippi als Heldin auf, indem sie zwei Kinder aus einem brennenden Haus rettet. Die Mitbürger feiern die Heldin und schreien viermal: »Hurra!« Aber jemand schreit fünfmal. Und das ist Pippi.
Vater Alfred, ein Selfmademan, dessen Installationsfirma rasch expandiert, war ein Familientyrann par excellence: »Er konnte wie ein Elefant trampeln, wenn sich am gestärkten Kragen seines Hemdes der Knopf nicht aufmachen ließ.« Ihre Mutter Berta, das jüngste von 18 Kindern, wollte eigentlich Schauspielerin werden und besucht mit ihrer Tochter Bälle, geht mit ihr ins Kino und finanziert heimlich ihren Tanzunterricht. Als der Herr Gemahl das erfährt, reicht er die Scheidung ein.
Um den Hausfrieden zu retten, gibt Leni auf. Aber sie beschließt: »Niemals wollte ich in meinem Leben von irgendjemand abhängig werden.« Damit ist der Anspruch an sich selbst programmiert.
Aber vorläufig wird sie Sekretärin im Betrieb ihres Vaters, lernt Schreibmaschine, Stenografie und Buchhaltung und nimmt Zeichenunterricht (heimlich). Sie fürchtet den väterlichen Diktator – aber ist zugleich von ihm fasziniert (wie später von Hitler): »Ohne meine Willenskraft, die ich von meinem Vater geerbt habe, wäre ich an den Verfolgungen, die ich erleiden musste, kaputtgegangen.«
Kaum volljährig und finanziell unabhängig (sie macht Werbung für eine Hautcreme), studiert sie mit der heute legendären Gret Palucca modernen Tanz: »Das hat mir am meisten Spaß gemacht, weil ich da alles allein mit meinem Körper machen konnte.« Max Reinhardt engagiert sie 1923 als Solotänzerin für das Deutsche Theater in Berlin. Sie geht auf Tournee, wird in Prag von 3000 Menschen bejubelt: »Lampenfieber hatte ich nicht.« Es wäre sicher eine triumphale Karriere geworden – wäre sie nicht gestürzt und hätte sich dabei am Meniskus verletzt. Sie tanzt trotz Schmerzen zu Ende. Aber es ist ihr letzter Solotanz.
Am dritten Tag nach der Knieoperation erscheint an ihrem Krankenbett ein gewisser Arnold Fanck, den sie mit ihrem Auftritt in dem Dokumentarfilm Wege zu Kraft und Schönheit begeisterte, mit einem Manuskript in der Hand: Der heilige Berg – geschrieben für die Tänzerin L. R. Fanck ist Filmregisseur, bietet ihr die Hauptrolle an – es ist der Beginn einer langjährigen, oft knochenharten Zusammenarbeit. Denn Leni ist zu stolz beziehungsweise zu ehrgeizig, um sich doubeln zu lassen: Sie springt leicht bekleidet über Gletscherspalten, lässt sich von einer Schneelawine zuschütten, erträgt obszöne Witze der Männercrew, sprich: Sie verschafft sich Respekt, weil sie nie klein beigibt.
Aber eigentlich fühlt sich Leni wohler hinter der Kamera. Also lässt sie sich in den Drehpausen die Schnitttechnik, die Kameraführung, kurz: das Regiehandwerk erklären. Sie kapiert schnell, welche Macht Bilder haben. Dass man schöne Bilder missbrauchen kann, hat sie vermutlich niemals akzeptiert. Als würde sie ganz naiv glauben, Schönheit kann nicht böse sein. Denn das Böse ist hässlich. 1931 gründet sie die »Leni Riefenstahl Filmproduktion«, die bis zu ihrem Tod existiert.
Von ihrem ersten Liebhaber, dem seinerzeit besten deutschen Tennisspieler Otto Froitzheim, wird sie vergewaltigt: »Ich fühlte nichts als Schmerzen und Enttäuschung. Nach kurzer Zeit warf er mir ein Handtuch zu und sagte, auf die Tür zum Bad zeigend: ›Da kannst du dich waschen.‹ Dann drückte er mir einen Geldschein, eine Zwanzig-Dollar Note, in die Hand und sagte: ›Wenn du schwanger werden solltest, kannst du es dir wegmachen lassen‹«, schreibt sie in ihren Memoiren .
Sie ist 30, als ihr erster Film, Das blaue Licht , am 24. März 1932 im Berliner UFA-Palast am Zoo Premiere feiert. Drehbuch, Hauptrolle, Regie, Produktion – L. R. Es ist eine grandios fotografierte Bergsaga, die zeigt, was mit Menschen geschieht, die ihre Umwelt zerstören.
Während der Dreharbeiten beendet Leni ihre Affäre mit ihrem Tonmeister, der »ausgerechnet dann mit mir schlafen wollte, wenn ich 150-prozentig mit meiner Arbeit beschäftigt war«. Ein anderer Mann hingegen ist sowohl von ihrem Werk als auch von ihr in natura hingerissen. Adolf Hitler: »Er bewunderte, dass ich es geschafft habe, mich ohne eigene Mittel als Frau durchzuringen. Das hat ihm imponiert. Der Film war ja ein Welterfolg. Ich bekam Telegramme von Chaplin und Douglas Fairbanks.«
Hitler, der die Rolle der Frau einzig darin sieht, sich dem Mann unterzuordnen
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