Starke Frauen
und der Nation Kinder zu gebären, lädt die Filmemacherin zu einem Spaziergang in Horumersiel am Nordseestrand ein. Am 22. Mai 1932 »gingen wir stumm nebeneinander. Nach einer Pause blieb er stehen, sah mich lange an, legte langsam seine Arme um mich und zog mich an sich«, berichtet sie. Sie befreit sich aus seiner Umarmung. Seine Reaktion: »Wenn wir einmal an die Macht kommen, müssen Sie meine Filme machen.«
----
Jean Cocteau an Leni Riefenstahl:
»Sie haben den Film auf eine Höhe gebracht, die er selten erreicht«
----
Am 28. März 1935 wird Lenis Dokumentarfilm über den Reichsparteitagvom Vorjahr uraufgeführt. Hitler ist anwesend und zufrieden. Er selbst wählt den Titel Triumph des Willens . Dieser Film und noch ein ungleich imposanterer über die Olympischen Spiele von 1936 in Berlin werden ihr nach der deutschen Kapitulation zum Verhängnis. Propaganda für die NSDAP – so lautet der Vorwurf. Obwohl es Filme sind, die heute noch beeindrucken. Keiner ihrer männlichen Zeitgenossen wagte es, so revolutionäre Kameraperspektiven und eine solche Schnitttechnik anzuwenden. Sie filmt, als würde sie tanzen. Solo.
Ende 1938 reist Riefenstahl nach Amerika, um für ihre Filme zu werben. Die Reise wird zum Misserfolg. Kein Studio lädt sie ein, kein Vertrag wird unterzeichnet. Die Realität hat die Kunst eingeholt.
Als sie mit 42 heiratet, schickt Hitler einen Blumenkorb. Drei Jahre später lässt sie sich scheiden, weil der Gebirgsjäger Peter Jacob sie betrügt. Hat sie ihn enttäuscht, weil sie die traditionelle Frauenrolle nicht bedient? Am Drehort ist schließlich sie der Boss, verwaltet Millionenetats, hat das letzte Wort bei der Besetzung – ist ein Weltstar. In einem der letzten Interviews kommt sie auf den Punkt: »Ich habe in der Liebe immer nur Unglück gehabt. Ich bin zu eng mit meiner Arbeit verbunden. Die Männer haben einfach gespürt, dass ich das doch vorziehen könnte ... Ich glaube: Ich bin 100 Prozent Mann und 100 Prozent Frau«.
Berchtesgaden, 30. März 1944. Letzte Begegnung mit Hitler: »Meine Gefühle bei dieser Begegnung blieben zwiespältig. Vieles störte mich an ihm.« Sechs Jahre zuvor sagte er zu ihr: »Menschen wie Sie werden meist einsam sein. Sie werden es nicht leicht haben.«
In den Nachkriegsjahren muss sie sich erst einmal mit erfundenen Klatschgeschichten herumschlagen, wird zur Symbolfigur der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, polarisiert, wann immer das Thema Kunst und Moral aufkocht. Wohlgemerkt: Kein anderer Künstler, der unter den Nazis Karriere machte, wird so dauerhaft angefeindet wie sie: weder Luis Trenker, Veit Harlan noch Arno Breker, wederMartin Heidegger noch Wilhelm Furtwängler. Dabei war sie nicht einmal in der NSDAP. Aber eben »nur« eine Frau, die man einfacher an den Pranger stellen kann als einen Mann.
1962, ausgerüstet mit Leica-Kameras, reist sie zum ersten Mal nach Afrika. Warum Afrika? Erstens war sie von Hemingways Roman Die grünen Hügel Afrikas begeistert, zweitens von einem Zeitungsbericht erschüttert, der den Sklavenhandel (gedeckt von Missionaren!) entlarvt. Einen »gesunden Neger« könne man schon für 2000 Dollar haben, steht darin.
Im Sudan, bei den Nuba-Stämmen angekommen, erlebt sie »biblische Bilder, wie aus der Urzeit der Menschheit«. Sie gewinnt das Vertrauen der Schwarzen und fotografiert. Die Fotostrecke, die 1966 im Stern unter der Überschrift »Was noch nie ein Weißer sah« erscheint, beschert ihr ein souveränes Comeback.
1967 erscheint in ihrer Münchner Wohnung Horst Kettner. Kameramann, 41 Jahre jünger. Er begleitet sie bei der nächsten Afrika-Expedition, »obwohl ich ihm kein Gehalt zahlen, sondern nur die Reisespesen übernehmen konnte«. Er ist auch 1972 vor Ort, als ausgerechnet sie im Auftrag der Sunday Times die Olympischen Spiele in München fotografiert. Da ist aus »Horst und ich« (so eine Kapitelüberschrift in ihren Memoiren ) längst ein »Wir« geworden.
Er ist für sie da, als sie sich beim Skilaufen den Oberschenkel bricht, findet es großartig, wenn sie sich um 20 Jahre jünger macht, um mit 72 einen Tiefsee-Tauchschein machen zu können. Er ist der erste Mann ihres Lebens, der beides will: mit ihr als Frau leben und als Chefin arbeiten. Dem Time Magazine sagt sie: »Es ist ein tolles Gefühl, wenn man mit jemandem all die schönen Sachen des Lebens teilen kann, es ist wunderbar, jemanden zu haben, der mir glaubt, obwohl alle anderen mich verdammen.«
Liebt sie ihn?
Weitere Kostenlose Bücher