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Starker als dein Tod

Starker als dein Tod

Titel: Starker als dein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Castillo Linda
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um sich nicht in den Jeep zu beugen und sie zu küssen.
    „Sei vorsichtig“, ermahnte er sie.
    Er zwang sich zu einem Lächeln, das ihr hoffentlich Zuversicht signalisierte, und schlug die Tür zu. Dann ging er zum Aussichtspunkt, der ein paar Hundert Meter hinter ihnen lag.
    Emily saß am Steuer und starrte auf den Schlüssel, der in der Zündung steckte. Wenn sie wegwollte, musste sie nur nach unten greifen, den Motor anlassen, und schon könnte sie als freier Mensch nach Hause fahren.
    Tu es! Rette dich. Rette deinen Ruf
.
    Sie ist genauso wie ihr Vater …
    Emily legte die Finger auf den Zündschlüssel, aber sie ließ den Wagen nicht an. Sie konnte jetzt nicht wegfahren. Nicht nur, weil sie wusste, dass ihre Arbeitgeber bei
Lockdown
für unzählige Verbrechen verantwortlich waren, sondern weil sie ab einem bestimmten Punkt – und trotz ihrer Entscheidung, es nicht dazu kommen zu lassen – Gefühle für Zack entwickelt hatte. Auf gar keinen Fall würde sie ihn in einer so prekären Situation allein lassen.
    Zu was für einer Art Mensch machte sie das, fragte sie sich. So einen wie ihr Vater? Beging Emily den gleichen Fehler, den er schon begangen hatte?
    „Genug“, schalt sie sich selbst.
    Sie lehnte sich in dem Sitz zurück und sah sich um. In den letzten zwanzig Minuten hatte sich der Himmel verfinstert und es schneite heftig. Wegen der Glättegefahr, die noch vom Tag vorher bestand, war der Highway völlig verlassen. Sie drehte sich um und versuchte Zack auszumachen, doch er hatte schon fast den Aussichtspunkt erreicht. Sie wollte sich gerade wieder nach vorne wenden, da nahm sie in den Büschen zehn Meter über dem Aussichtspunkt eine Bewegung wahr.
    Der Schreck ließ ihren ganzen Körper zittern. Dort oben sah sie einen Mann mit einem schussbereiten Gewehr auf einem Stativ. Nicht einen Jäger oder einen Rancher, sondern einen Mann, der einen dunklen Trenchcoat trug und nur Sekunden davor war, Zack zu töten.
    Panisch riss sie die Tür auf und lief so schnell sie konnte zum Aussichtspunkt. Sie wollte Zack rufen, wollte ihn warnen, allerdings fürchtete sie, dass der Scharfschütze vorher abdrücken würde. Sie konnte nichts anderes tun, als so schnell zu laufen, wie es ihr möglich war. Und hoffen, dass sie es rechtzeitig schaffen würde.
    Ihre Stiefel trommelten auf dem eisigen Asphalt, als sie die Kurve der Ausfahrt entlangrannte. Sie erspähte Zack, der an der Brüstung stand und über das eindrucksvoll schneebedeckte Tal unter ihm schaute. Obwohl er wachsam und sprungbereit schien, als ob er auf Ärger vorbereitet wäre, stand er doch mit dem Rücken zu der Anhöhe und hatte keine Möglichkeit, den Scharfschützen zu sehen.
    Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, ihn zu warnen, und der Angst, damit dem Scharfschützen zu verraten, dass er entdeckt war, stand Emily zwei Herzschläge lang völlig bewegungslos da. Dann rief sie: „Gewehr! Zack! Hinter dir!“
    Er wirbelte herum. Die unterschiedlichsten Emotionen spiegelten sich auf seinem Gesicht wider. Die Freude, sie zu sehen. Die Sorge um ihre Sicherheit. Die Erkenntnis, dass er einen fatalen Fehler begangen hatte.
    Der Schuss durchschnitt die Stille wie ein Donnerschlag. Wie in Zeitlupe zuckte Zack zusammen. Einen Augenblick lang wirkte er verblüfft. Dann presste er die Hände an den Bauch. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. Und dann sackte er zu Boden.
    „Nein!“ Ohne einen Gedanken an ihre eigene Sicherheit sprintete sie auf ihn zu.
    Als sie über die verschneite Erde rannte, sah sie aus dem Augenwinkel den Scharfschützen. Sah das Aufblitzen der Waffe, während er zu einem erneuten Schuss ansetzte. Ihr Verstand sagte ihr, dass sie die Nächste sein würde. Aber es war nicht ihr Verstand, sondern ihr Herz, das sie zu Zack laufen ließ.
    Lieber Gott, er durfte nicht tot sein
.
    Alle ihre Sinne waren so darauf konzentriert, ihn zu erreichen, dass sie den zweiten Schuss nicht einmal hörte.

13. KAPITEL
    Mit zwölf Jahren war Zack einmal von einem Pferd getreten worden. In dem einen Moment hatte er noch dagestanden und Katie Murdoch dabei zugesehen, wie sie dem Pferd den Sattel aufgelegt und den Gurt festgezogen hatte. Im nächsten Augenblick hatte ihn ein Huf mit der Wucht von tausend Pfund mitten auf den Solarplexus getroffen.
    Angeschossen zu werden fühlte sich nicht viel anders an, dachte er, während er auf dem Boden lag und nach Luft rang. Wegen des Schocks konnte er kaum klar denken. Dann setzten seine Trainingsreflexe ein.

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