Starker als dein Tod
Zack sich noch nie allzu genau an die Spielregeln gehalten. Und er wusste, dass ein Anruf bei der Agency ihn in einen weiteren Hinterhalt locken könnte. Also verstieß er gegen jede ihm bekannte Vorsichtsmaßnahme und wendete sich direkt an den Mann, der in der Hierarchie der Organisation ganz oben angesiedelt war. Er rief Avery Shaw zu Hause an. Die Missachtung des Protokolls würde ihn vermutlich seinen Job kosten. Dennoch nahm er an, dass das weitaus besser war, als wenn er – oder gar Emily – draufging.
Er kannte Avery Shaw seit fünf Jahren. Er war ein guter Agent, ein guter Mann. In der Nacht, in der Alisa getötet wurde, war er für ihn da gewesen. Er hatte auf Zack eingeredet, während dieser an einer steilen Felskante gestanden hatte und springen wollte. Er war derjenige gewesen, der Alisas Familie über ihren grausamen Tod benachrichtigt hatte. Er hatte Zack hochgeholfen, wenn dieser zu betrunken war, um sich auf den Beinen zu halten. Er hatte ihn wie einen Agenten behandelt, obwohl Zack das Gefühl gehabt hatte, nie wieder als solcher arbeiten zu können.
„Shaw.“ Eine schlaftrunkene Stimme meldete sich am anderen Ende.
„Hier ist Devlin.“
Eine lange, bedeutungsschwangere Stille breitete sich aus. Dann fuhr Shaw ihn an: „Was zur Hölle denkst du dir dabei, mich zu Hause anzurufen?“
„Ich habe gerade meinen Arsch aus einer brenzligen Situation gerettet, und das verdanke ich sicher nicht euch.“
„Was soll das bitte schön heißen?“
„Das heißt, du hast einen Maulwurf in deinen Reihen, Kumpel. Einen Maulwurf, der mich beinahe umgebracht hätte.“
Eine weitere bedeutungsvolle Pause entstand. „Wer ist es?“
„Ich habe keine Ahnung. Ich habe meinen Kontaktmann bei MIDNIGHT angerufen, um ein Treffen zu vereinbaren. Und bin in einen Hinterhalt geraten. Dachte, du würdest das vielleicht wissen wollen.“
„Zur Hölle, ja, natürlich will ich das wissen.“
Zack hörte es am anderen Ende rascheln und nahm an, dass sich Shaw aus dem Bett erhob.
„Ich hole dich da raus“, versprach Shaw.
„Auf gar keinen Fall.“
„Ich darf dich an eines erinnern, Devlin. Ich mache hier die Ansagen. Ich bestimme, wann du drin und wann du draußen bist. Hast du das verstanden?“
„Ich habe nicht vier Monate in diesem Höllenloch verbracht, um mit leeren Händen zurückzukehren“, entgegnete Zack.
„Und ich möchte keinen weiteren Agenten beerdigen!“
Bei dem Gedanken an Alisa schloss Zack kurz die Augen, sagte aber nichts.
„Zieh dich jetzt zurück“, befahl Shaw mit schneidender Stimme. „Oder ich werde dich zur Rechenschaft ziehen, das schwöre ich.“
„Wir brechen heute Nacht in das Gefängnis ein.“
„Verdammt, Devlin, das ist Selbstmord. Tu das nicht.“
„Ich habe gedacht, dass du darüber informiert sein solltest, für den Fall, dass wir nicht wieder herauskommen. Wir sind hinter den großen Tieren her, Avery, und große Tiere beißen nun einmal.“
„Hast du herausgefunden, wer die führenden Köpfe bei dem Ganzen sind?“
„Ja, und wir setzen alles daran, sie zu überführen.“
„Wir? Um Himmels willen, sag nicht, dass du Emily Monroe meinst.“
Wie Zack vorhergesehen hatte, hatte Shaw sich schon zusammengereimt, dass er mit Emily zusammenarbeitete. Trotzdem fühlte er sich deswegen nicht weniger schuldiger. „Unternimm nichts, was zur Folge haben könnte, dass wir getötet werden, Avery.“
„Das Getötetwerden überlasse ich dir ganz allein“, gab Shaw zurück. „Du weißt, dass sich zwei andere Agenten im Gefängnis befinden. Sie können dir helfen, falls ihr in die Klemme geratet.“
Zack fand, dass er schon tief genug in der Klemme steckte. „Soweit wir wissen, ist einer von ihnen der Maulwurf.“
„Auf keinen Fall.“
„Tu mir einen Gefallen und verwette nicht dein Leben darauf, okay?“
„Ich werde dich persönlich zur Rechenschaft ziehen, sobald ich dich in die Hände bekomme.“
„Wenn ich dann noch lebe – einverstanden.“ Zack war klar, dass der Mann am anderen Ende der Leitung bereits dabei war, den Anruf zurückzuverfolgen. Er lächelte und legte auf.
16. KAPITEL
„Wer war das?“, fragte Emily, als er wieder in den Jeep stieg.
„Ein alter Freund.“
„Merkwürdiger Zeitpunkt, einen alten Freund anzurufen.“
Zack entgegnete nichts und wich ihrem Blick aus.
„Falls du versuchst, meiner Frage auf subtile Weise auszuweichen, gelingt dir das nicht besonders gut.“
„Sagen wir einfach, dass er ein guter Freund
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