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Starkes Gift

Starkes Gift

Titel: Starkes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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auf eine Art gut so, denn dann werden Sie wissen, daß ich in Wirklichkeit nicht so ein Esel bin, wie ich im Augenblick wohl aussehe.«
    Darüber mußte sie lachen.
    »Sie sehen nicht aus wie ein Esel – zumindest nicht mehr als jeder andere Mann unter solchen Umständen. Die Umgebung entspricht nicht ganz Ihrem Stil, aber Sie sind ein sehr erfrischender Anblick. Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar, obwohl ich fürchte, daß ich ein ziemlich hoffnungsloser Fall bin.«
    »Sagen Sie das nicht. Hoffnungslos ist der Fall nur, wenn Sie es wirklich waren, und ich weiß, daß Sie es nicht getan haben.«
    »Nein, ich habe es nicht getan. Aber ich habe das Gefühl, es ist genau wie in einem Buch, das ich geschrieben habe; da hatte ich ein so vollkommenes Verbrechen erfunden, daß ich hinterher selbst nicht mehr wußte, wie mein Detektiv es beweisen sollte, so daß ich schließlich auf das Geständnis des Mörders zurückgreifen mußte.«
    »Notfalls tun wir das auch. Sie wissen nicht zufällig, wer der Mörder ist, nein?«
    »Ich glaube nicht, daß es überhaupt einen gibt. Ich bin wirklich überzeugt, daß Philip das Zeug selbst genommen hat. Er war im Grunde ein Defätist.«
    »Er hat sich wohl die Trennung von Ihnen sehr zu Herzen genommen?«
    »Ich glaube schon, daß das mit ein Grund war. Aber vor allem hatte er immer das Gefühl, nicht richtig anerkannt zu werden. Er bildete sich gern ein, alle Welt habe sich gegen ihn verschworen, um seinen Durchbruch zu verhindern.«
    »Und, stimmte das?«
    »Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube allerdings, daß er recht vielen Leuten auf die Füße getreten hat. Er hatte so eine Art, alles mögliche als sein gutes Recht zu verlangen – und damit stößt man Leute vor den Kopf, nicht wahr?«
    »Ja, ich verstehe. Ist er mit seinem Vetter gut ausgekommen?«
    »Doch, ja; obwohl er natürlich immer sagte, es sei nichts als Mr. Urquharts Pflicht, für ihn zu sorgen. Mr. Urquhart ist recht wohlhabend und hat ausgezeichnete geschäftliche Verbindungen, aber Philip hatte nun wirklich keine Ansprüche an ihn zu stellen, denn es handelte sich nicht um Familienvermögen oder so etwas. Seine Ansicht war, es sei das Vorrecht großer Künstler, sich auf Kosten gewöhnlicher Sterblicher durchfüttern zu lassen.«
    Wimsey war mit dieser Spielart künstlerischen Temperaments recht vertraut. Was ihn aufhorchen ließ, war jedoch der Ton dieser Antwort, in dem, wie er fand, so etwas wie Bitterkeit, ja Verachtung mitschwang. Er stellte seine nächste Frage erst nach einigem Zögern.
    »Verzeihen Sie mir die Frage, aber – haben Sie Philip Boyes sehr gern gehabt?«
    »Muß ich wohl – in Anbetracht der Umstände, nicht?«
    »Nicht unbedingt«, antwortete Wimsey kühn. »Vielleicht hatten Sie auch nur Mitleid mit ihm oder waren von ihm verhext, oder er hat Ihnen einfach keine Ruhe gelassen.«
    »Von allem etwas.«
    Wimsey überlegte einen Augenblick.
    »Waren Sie Freunde?«
    »Nein.« Das Wort brach wie mit unterdrückter Wut aus ihr hervor, die ihn bestürzte. »Philip war nicht der Mann, der einer Frau ein Freund hätte sein können. Er wollte Ergebenheit. Die habe ich ihm gegeben. Das wissen Sie ja. Aber ich konnte es nicht ertragen, zum Narren gemacht zu werden. Ich konnte es nicht ertragen, auf die Probe gestellt zu werden wie ein Lehrjunge, um zu sehen, ob ich seiner Herablassung würdig war. Ich hatte geglaubt, er meinte es ehrlich, als er sagte, er halte nichts von der Ehe – und dann zeigte sich, daß es nur eine Prüfung war, um festzustellen, ob meine Ergebenheit demütig genug war. Sie war es nicht. Ein Heiratsantrag als Lohn für schlechtes Benehmen, das war nicht nach meinem Geschmack.«
    »Ich kann’s Ihnen nicht verdenken.«
    »Nein?«
    »Nein. Ich habe den Eindruck, daß er ein ziemlich eingebildeter Affe war, um nicht zu sagen ein kleiner Widerling. Wie dieser schreckliche Mensch, der sich als Landschaftsmaler ausgab und dann die unselige junge Frau mit der Last einer Ehre beglückte, für die sie nicht geboren war. Ich zweifle nicht, daß er ihr mit seinen Eichenmöbeln und dem Familiensilber und dem dienernden Gesinde und so weiter das Leben zur Hölle gemacht hat.«
    Harriet Vane mußte wieder lachen.
    »Ja – es ist lächerlich – aber auch demütigend. Na ja, so war’s. Ich hatte den Eindruck, daß Philip sich und mich lächerlich gemacht hatte, und in dem Augenblick, als ich das sah – da war’s mit einemmal vorbei – aus!«
    Sie unterstrich die Worte mit einer

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