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Starkes Gift

Starkes Gift

Titel: Starkes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Aufmerksamkeit gefolgt sind, Ihre ganze Intelligenz und Gewissenhaftigkeit gewidmet haben. Sie sind von Ihrer Pflicht entbunden und haben das Recht, zwölf Jahre lang keine weitere Berufung als Geschworene mehr anzunehmen.«
     
    Fast noch ehe die weiteren Formalitäten erledigt waren und die Richterrobe durch den dunklen Gang entschwand, hatte Wimsey sich bereits nach vorn gedrängt. Er bekam den Verteidiger gerade noch an seinem Talar zu fassen.
    »Biggy – gut gemacht! Jetzt haben Sie noch eine Chance. Lassen Sie mich mitmachen, dann kriegen wir die Sache schon hin.«
    »Meinen Sie, Wimsey? Ich gestehe freimütig, daß wir besser davongekommen sind, als ich es je erwartet hätte.«
    »Nächstes Mal wird’s noch besser. Passen Sie auf, Biggy. Stellen Sie mich als Sekretär oder so etwas an. Ich will mit ihr sprechen.«
    »Mit wem? Meiner Mandantin?«
    »Ja. Ich habe in dem Fall so ein ganz bestimmtes Gefühl. Wir müssen sie rauspauken, und ich weiß, daß es geht.«
    »Gut, kommen Sie morgen mal zu mir. Ich muß jetzt selbst zu ihr und mit ihr reden. Um zehn bin ich zu Hause. Gute Nacht.«
    Wimsey stürzte davon und eilte zum Nebenausgang, wo soeben die Geschworenen herauskamen. Als letzte erschien, den Hut schief auf dem Kopf und den Regenmantel ungeschickt um die Schultern gelegt, die alte Jungfer. Wimsey schoß auf sie zu und ergriff ihre Hand.
    »Miss Climpson!«
    »Oh, Lord Peter! Meine Güte, war das ein schrecklicher Tag! Wissen Sie, das war nämlich hauptsächlich ich, die diese ganzen Scherereien verursacht hat, obwohl mich zwei von ihnen tapfer unterstützt haben, und ich hoffe wirklich, Lord Peter, daß ich nicht falsch gehandelt habe, aber ich konnte nicht, nein, ich konnte einfach nicht guten Gewissens sagen, daß sie es war, wo ich doch überzeugt bin, daß sie es nicht war, das ging doch nicht, oder? Ach du meine Güte!«
    »Sie haben vollkommen richtig gehandelt. Sie war’s nämlich nicht, und Gott sei Dank haben Sie’s ihnen gezeigt und ihr noch eine Chance gegeben. Ich werde beweisen, daß sie es nicht getan hat. Und jetzt lade ich Sie zum Essen ein – ach, übrigens, Miss Climpson!«
    »Ja?«
    »Es stört Sie hoffentlich nicht, daß ich mich seit heute früh nicht mehr rasiert habe, denn ich werde Sie jetzt in ein stilles Eckchen führen und Ihnen einen Kuß geben.«

4. Kapitel
    Der nächste Tag war ein Sonntag, aber Sir Impey Biggs sagte eine Verabredung zum Golf ab (nicht so ungern, da es in Strömen goß) und hielt statt dessen einen außerordentlichen Kriegsrat ab.
    »Also, Wimsey«, sagte der Anwalt, »was haben Sie für Vorstellungen? Darf ich Ihnen übrigens Mr. Crofts von Crofts Cooper, den Anwälten der Angeklagten, vorstellen?«
    »Meine Vorstellung ist, daß Miss Vane es nicht getan hat«, sagte Wimsey. »Ich möchte zwar annehmen, daß Ihnen dieser Gedanke auch schon gekommen ist, aber wenn ein Kopf wie der meine dahintersteckt, bekommt so eine Idee doch zweifellos ein ganz anderes Gewicht.«
    Mr. Crofts, der nicht recht wußte, ob das einfältig oder scherzhaft gemeint war, lächelte nachsichtig.
    »Durchaus«, meinte Sir Impey, »aber mich würde interessieren, wie viele von den Geschworenen es in diesem Licht gesehen haben.«
    »Nun, das kann ich Ihnen wenigstens sagen, weil ich eine von ihnen kenne. Eine Frau und noch eine halbe Frau und ein dreiviertel Mann.«
    »Und was heißt das bei näherem Hinsehen?«
    »Also, die Frau, die ich kenne, hat sich darauf versteift, daß Miss Vane nicht der Mensch für so etwas sei. Man hat ihr natürlich arg zugesetzt, weil sie ja keinen einzigen schwachen Punkt in der Beweiskette aufzeigen konnte, aber sie hat gemeint, das Verhalten der Angeklagten gehöre auch zu den Indizien, und sie habe das Recht, es mit zu berücksichtigen.
    Zum Glück ist sie ein zähes altes Mädchen mit guter Verdauung, einem militanten anglikanischen Gewissen und erstaunlichem Stehvermögen, und so leicht gibt sie nicht auf. Sie hat gewartet, bis die andern sich verausgabt hatten, und dann gemeint, sie sei eben nicht überzeugt und werde auch nichts anderes sagen.«
    »Wie praktisch«, sagte Sir Impey. »Wer alle Glaubensartikel der christlichen Kirche glauben kann, wird sich an gegenteiligen Beweisen und derlei Kinkerlitzchen nicht stören. Leider können wir nicht hoffen, eine ganze Geschworenenbank voll frommer Dickschädel zu haben. Wie steht’s mit der andern Frau und dem Mann?«
    »Mit der Frau war eigentlich nicht zu rechnen. Das war diese kernige

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