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Starkes Gift

Starkes Gift

Titel: Starkes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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was?«
    »Ja. Versuch festzustellen, ob Boyes am 20. Juni zwischen 21.50 Uhr und 22.10 Uhr in der Nähe der Doughty Street in eine Kneipe gegangen ist – ob er dort jemanden getroffen hat und was er zu trinken hatte.«
    »Wird gemacht. Boyes – Frage Kneipe.« Parker machte sich wieder eine Notiz. »Und?«
    »Drittens, ob in der Gegend ein Fläschchen oder Schächtelchen gefunden wurde, in dem sich Arsen befunden haben könnte.«
    »Ist das alles? Soll ich nicht auch noch nach einer Busfahrkarte suchen, die Mrs. Brown in der Vorweihnachtszeit vor dem Kaufhaus Selfridge verloren hat? Du brauchst es mir nicht zu leicht zu machen.«
    »Ein Fläschchen ist wahrscheinlicher als ein Schächtelchen«, fuhr Wimsey fort, ohne ihn zu beachten, »weil ich glaube, daß das Arsen in flüssiger Form genommen wurde, sonst hätte es nicht so schnell gewirkt.«
    Parker erhob keinen weiteren Einspruch, sondern notierte brav: »Boyes – Doughty Street – Frage Fläschchen«, dann sah er erwartungsvoll auf.
    »Und?«
    »Das ist im Augenblick alles. Übrigens, ich würd’s mal im Park am Mecklenburgh Square versuchen. Da kann etwas monatelang im Gebüsch herumliegen.«
    »Schön. Ich werde tun, was ich kann. Und wenn du etwas herausfindest, was wirklich beweist, daß wir auf dem Holzweg waren, sagst du’s uns, ja? Wir machen auch nicht gern vor aller Öffentlichkeit verhängnisvolle Fehler.«
    »Na ja – ich habe gerade erst der Verteidigung feierlich versprochen, genau das nicht zu tun. Aber wenn ich den Täter finde, lasse ich dich ihn verhaften.«
    »Wir sind auch für kleine Gaben dankbar. Also, viel Glück! Ein komisches Gefühl, wir beide auf entgegengesetzten Seiten, was?«
    »Und wie«, sagte Wimsey. »Mir tut es auch leid, aber du bist selbst dran schuld.«
    »Du hättest England nicht verlassen sollen. Übrigens –«
    »Ja?«
    »Wahrscheinlich wird sich nur herausstellen, daß unser junger Freund in den fraglichen zehn Minuten in der Theobalds Road gestanden und auf ein Taxi gewartet hat, das ist dir doch klar?«
    »Ach, sei still«, sagte Wimsey ärgerlich und ging.

6. Kapitel
    Der nächste Tag verhieß schön und strahlend zu werden, und Wimsey konnte sich auf dem Wege nach Tweedling Parva einer gewissen Ausgelassenheit nicht entziehen. »Mrs. Merdle«, sein Auto, so genannt, weil es wie die berühmte Figur von Dickens etwas gegen »Krach« hatte, schnurrte munter mit seinen zwölf Zylindern durch die frische Luft dahin, in der ein Hauch von Frost lag. Derlei ist dazu angetan, die Stimmung zu heben.
    Wimsey erreichte sein Reiseziel gegen zehn Uhr und ließ sich den Weg zum Pfarrhaus erklären, einem dieser großen, weiträumigen und unnötigen Gebäude, die das Einkommen ihres Bewohners zu dessen Lebzeiten aufzehren und seine Nachfahren, kaum daß er tot ist, mit hohen Reparaturrechnungen belasten.
    Pfarrer Arthur Boyes war zu Hause und gern bereit, Lord Peter Wimsey zu empfangen.
    Der Geistliche war ein hochgewachsener, blasser Mensch mit tief in das Gesicht geschnittenen Sorgenfalten und sanften blauen Augen, die etwas ratlos dreinblickten ob der enttäuschenden Schwierigkeit der Dinge im allgemeinen. Sein schwarzer Rock war alt und hing ihm in traurigen Falten um die schmalen, gebeugten Schultern. Er reichte Wimsey eine magere Hand und bat ihn, Platz zu nehmen.
    Es fiel Lord Peter nicht ganz leicht, sein Anliegen zu erklären. Sein Name weckte bei dem freundlichen, weltentrückten Seelenhirten offenbar keinerlei Assoziationen. Er entschied sich, von seinem kriminalistischen Steckenpferd nichts zu erwähnen und sich lediglich als ein Freund der Angeklagten vorzustellen, was ja auch stimmte. Das mochte ebenso peinlich sein, aber es war zumindest verständlich. Also begann er nach einigem Zögern:
    »Es tut mir unendlich leid, Sie belästigen zu müssen, zumal das alles so traurig ist, aber es handelt sich um den Tod Ihres Sohnes und den Prozeß und so weiter. Bitte glauben Sie nicht, daß ich Ihnen lästig werden möchte, aber ich habe ein großes Interesse – ein persönliches Interesse daran. Sehen Sie, ich kenne Miss Vane – ich – genauer gesagt, ich mag sie sehr gern, und ich kann mir nicht helfen, aber ich bin sicher, daß da irgendwo ein Irrtum vorliegt, und – und den möchte ich gern aufklären, wenn es irgend geht.«
    »Ach so – ja!« sagte Mr. Boyes. Er putzte hingebungsvoll seinen Kneifer und klemmte ihn sich auf die Nase, wo er ziemlich schief saß. Dann musterte er Wimsey ausgiebig, und was

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