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Starkes Gift

Starkes Gift

Titel: Starkes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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können.«
    Miss Climpson pflichtete ihm bei und bestrich ein zweites Stück Teekuchen.
    »Zweitens, Versicherung. Jetzt kommen wir in die Gefilde des Möglichen. War Boyes versichert? Anscheinend ist niemand auf die Idee gekommen, danach zu fragen. Wahrscheinlich war er es nicht. Diese Literaten haben selten einen ausgeprägten Vorsorgetrieb und noch weniger Sinn für Versicherungsprämien und derlei Nebensächlichkeiten. Aber nachfragen sollte man. Wer könnte ein versicherbares Interesse haben? Sein Vater, sein Vetter (möglicherweise), andere Verwandte (falls vorhanden), seine Kinder (falls vorhanden) und – wie ich annehme – Miss Vane, sofern er die Versicherung erst abschloß, als er schon mit ihr zusammenlebte. Außerdem jeder, der ihm aufgrund einer solchen Versicherung Geld geliehen hätte. Da gibt es der Möglichkeiten viele. Mir wird schon viel wohler, Miss Climpson, ich spüre Aufwind in jeder Beziehung. Entweder bekomme ich die Geschichte allmählich in den Griff, oder es liegt an Ihrem Tee. Das ist eine schöne, gehaltvoll aussehende Kanne. Ist da noch was drin?«
    »O ja!« rief Miss Climpson eifrig. »Mein lieber Vater hat immer gesagt, ich verstünde es wie keine zweite, das Letzte aus einer Teekanne herauszuholen. Das Geheimnis ist, daß man nach dem Einschenken immer wieder nachfüllt und die Kanne nie ganz leer werden läßt.«
    »Erbschaft«, fuhr Lord Peter fort. »Hatte er etwas zu vererben? Nicht viel, könnte ich mir vorstellen. Am besten schau ich mal eben bei seinem Verleger rein. Oder ist er in letzter Zeit vielleicht zu Geld gekommen? Das müßten sein Vater oder sein Vetter wissen. Der Vater ist Pfarrer – ›toller Beruf, das‹, wie der ungezogene Klassenflegel seinem neuen Mitschüler in einem von Dean Farrars Büchern erklärt. Wirkt ziemlich abgerissen. Ich kann mir nicht denken, daß in der Familie viel Geld steckt. Aber man weiß nie. Vielleicht hat jemand Boyes um seiner schönen blauen Augen willen oder aus Bewunderung für seine Bücher ein Vermögen vermacht. Wenn ja, wem hat Boyes es hinterlassen? Frage: Hat er ein Testament gemacht? Aber an solche Dinge hat doch sicher die Verteidigung schon gedacht. Mir sinkt schon wieder der Mut.«
    »Essen Sie ein Sandwich«, riet Miss Climpson.
    »Danke«, sagte Wimsey, »oder eine Handvoll Heu. Bei einem Schwächeanfall hilft nichts wie Heu, wie der Weiße König so richtig bemerkte. Also, damit ist das Motiv Geld mehr oder weniger erledigt. Bleibt Erpressung.«
    Miss Climpson, deren berufliche Verbindung mit dem »Katzenhaus« sie so einiges über Erpressung gelehrt hatte, stimmte ihm seufzend zu.
    »Was war dieser Boyes für einer?« fragte Wimsey rhetorisch. »Ich weiß nichts über ihn. Er könnte ein Lump von der schwärzesten Sorte gewesen sein. Womöglich hat er von all seinen Freunden die unaussprechlichsten Dinge gewußt. Warum nicht? Oder er schrieb an einem Buch, in dem er jemanden bloßstellte, so daß er um jeden Preis kaltgestellt werden mußte. Hol’s der Kuckuck, sein Vetter ist Rechtsanwalt. Wenn der nun Mündelgelder veruntreut hat oder so etwas, und Boyes hat gedroht, ihn auffliegen zu lassen? Er wohnte in Urquharts Haus und hatte jede Möglichkeit, so was herauszubekommen. Urquhart rührt ihm ein bißchen Arsen in die Suppe und – ah, da steckt der Haken. Tut Arsen in die Suppe und ißt sie selbst. Das ist schwierig. Ich fürchte, Hannah Westlocks Aussage schlägt diese Theorie mausetot. Wir werden wieder auf den geheimnisvollen Fremden im Wirtshaus zurückgreifen müssen.«
    Er dachte eine Weile nach, dann meinte er:
    »Und dann bliebe natürlich auch noch Selbstmord, an den ich noch am ehesten zu glauben geneigt bin. Selbstmord mit Arsen ist zwar so ungefähr das dümmste, aber es ist schon vorgekommen. Da hatten wir zum Beispiel den Duc de Praslin – wenn das Selbstmord war. Aber wo ist dann die Flasche?«
    »Die Flasche?«
    »Irgendwo muß er das Zeug ja dringehabt haben. Könnte auch ein Schächtelchen gewesen sein, wenn er es in Pulverform genommen hat, obwohl das schwierig gewesen wäre. Hat mal jemand nach einem Fläschchen oder Päckchen gesucht?«
    »Wo hätte man suchen sollen?« fragte Miss Climpson.
    »Das ist es ja. Wenn er es nicht bei sich hatte, muß es irgendwo in oder nahe bei der Doughty Street gelegen haben, und es dürfte eine ganz schöne Arbeit sein, nach einem Fläschchen oder Schächtelchen zu suchen, das vor einem halben Jahr weggeworfen wurde. Wie ich Selbstmorde hasse – sie sind

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