Starlet Monika
großen,
schmiedeeisernen geschlossenen Tor zu halten. Wir stiegen aus, und er drückte
auf den Klingelknopf in der steinernen Mauer neben dem Tor. Ein paar Sekunden später
erschien ein alter Mann, der so etwas wie eine Hausmeisteruniform trug und das
Tor öffnete. Ich folgte Weigel in einen gepflasterten kleinen Hof, der vor
einem breiten zweistöckigen Gebäude lag, und wir stiegen die drei Stufen zur
Haustür empor.
Eine Schwester mittleren Alters
in weißer Tracht öffnete uns die Tür, nickte Weigel höflich zu, und dann
unterhielten sie sich eine Weile in schnellem Deutsch, bevor sie zur Seite
trat, um uns eintreten zu lassen. Nachdem sie die Haustür geschlossen hatte, führte
sie uns einen breiten Flur entlang, klopfte höflich an eine Tür, und eine
männliche Stimme rief von drinnen: »Herein !«
Die Schwester öffnete die Tür,
und ich folgte Weigel in etwas, das offensichtlich ein Büro war. Ein kleiner
kahlköpfiger Mann mit randloser Brille stand hinter seinem Schreibtisch auf und
begrüßte Weigel auf deutsch .
Sie unterhielten sich kurz, und dann wandte sich Weigel mir zu. »Das hier ist
Doktor Eckert, Mr. Holman .«
Der kleine Mann verbeugte sich
formell und sagte auf englisch :
»Guten Tag, Mr. Holman . Herr Weigel hat mir gesagt,
Sie müßten Fräulein Brühl sprechen .«
Ich blickte ihn kurz an und
wandte mich dann an Weigel. »Ist sie krank ?«
»Das werden Sie gleich sehen«,
sagte er barsch.
»Fünf Minuten, bitte .« Eckert blickte ihn besorgt an. »Länger nicht.«
»Ich verstehe .« Weigel nickte. »Wir werden uns hinterher noch unterhalten .«
»Wie Sie wollen«, sagte Eckert
formell. »Ich stehe Ihnen hier zur Verfügung .« Er ließ
sich wieder hinter seinem Schreibtisch nieder, als wir in den Flur hinaustraten.
Die Schwester führte uns weiter
den Korridor entlang und blieb vor einer anderen verschlossenen Tür stehen. Sie
nahm einen Schlüsselbund aus der Tasche, wählte einen der Schlüssel aus und
sagte dann etwas zu Weigel.
»Sie möchte, daß wir hier eine
Minute warten, während sie zunächst allein hineingeht«, übersetzte Weigel für
mich. »Es handelt sich möglicherweise«, sein Gesicht wurde für einen Augenblick
starr, »um eine Frage der menschlichen Würde. Verstehen Sie ?«
»Natürlich«, sagte ich.
Die Schwester verschwand im
Zimmer und schloß die Tür hinter sich, während wir schweigend warteten, bis sie
etwa eine Minute später zurückkehrte und uns winkte.
Drinnen sah es mehr wie in
einer Zelle als wie in einem Zimmer aus. Ein kleines vergittertes Fenster hoch
oben in der Wand ließ eben ausreichend viel Licht durch, um den kleinen Raum
auf eine matte, unwirkliche Weise zu erhellen. Das gesamte Mobiliar bestand aus
einem an der Wand stehenden hochbeinigen Bett, einem kleinen Tisch und einem
einfachen Stuhl.
Das Mädchen, das mit gekreuzten
Beinen auf dem Bett saß, blickte nicht auf, als wir das Zimmer betraten. Sie
fuhr lediglich fort, der Lumpenpuppe, die sie in ihren Armen wiegte, beruhigend zuzusummen . Sie trug einen weißen Kittel, ähnlich wie
ein Chirurg, lose und formlos, der bis zu ihren Knöcheln reichte, und war
barfuß. Der Kittel war vorn mit Speiseflecken übersät, und ihr langes schwarzes
Haar hing in matten Locken über ihre Schultern herab.
»Monika ?« sagte Weigel mit leiser Stimme; und er mußte ihren Namen dreimal wiederholen,
bevor sie aufsah.
Bis zu diesem Augenblick hatte
ich innerlich das Mädchen vor mir gesehen, wie ich es von Angela Burrows ’ Foto her in Erinnerung hatte. Das Mädchen aus
dem Weltall mit den vom Winde verwehten Ponys in der Stirn und dem langen,
über die eine Schulter herabhängenden Zopf, den seelenvollen dunklen Augen und
dem herausfordernden großen Mund. Das schmutzige matte Haar war schon ein
Schock gewesen, aber der Anblick ihres Gesichts war ungleich schlimmer. Es war
völlig bar jeden Ausdrucks. Die Augen waren leer und wirkten völlig leblos, und
der Mund stand offen. Während ich sie ansah, rieselte ihr ein Tropfen Speichel
aus einem schlaffen Mundwinkel über das Kinn.
Weigel sprach deutsch auf sie
ein, und seine Stimme klang nach wie vor weich und mitfühlend, während sie in
ihrem monotonen Singsang fortfuhr. Nach einer Weile hielt er inne, holte tief
Atem und begann erneut auf englisch .
»Wie geht es dir heute, Monika ?« Er stellte ihr resolut noch eine Reihe Klischeefragen,
aber es erfolgte keine Reaktion. Schließlich gab er es auf, sah mich an und
wies mit dem Kopf zur Tür. Ich
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