Starlet Monika
befunden, nicht China. Damals hatte sich China, ebensowenig wie die übrige Welt, auf dem Rücken einer
Riesenschildkröte befunden; und eine Weile saß ich in meinem Hotelzimmer herum
und überlegte, was wohl aus dieser Schildkröte geworden war. Dann ging ich zu
Bett und schlief und schlief, ich weiß nicht, wie lange. Mein Zeitsinn war
ebenso wie die Verläßlichkeit meiner Uhr bei den
Versuchen, die neun Stunden, die mir seit Los Angeles irgendwie abhanden gekommen waren, wiederzuerlangen, gescheitert. Wie
konnte ich gestern an einem Ort und heute an einem anderen sein?
Jedenfalls stellte sich heraus,
daß es in München etwa zehn Uhr morgens war, als ich mich geduscht, rasiert,
angezogen und ein Frühstück zu mir genommen hatte. Ich warf einen Blick aus dem
Fenster und sah, daß aus dem bleiernen Himmel sachte der Schnee herabfiel,
genau wie es meiner Vorstellung vom Winter in Europa entsprach. Ich blätterte
im Telefonbuch, fand Erich Weigels Nummer und ließ mich dann durch die
Hotelvermittlung mit ihm verbinden. Während ich wartete, hielt ich mir selber
die Daumen, daß Huey Lambert etwa ebensoviel Deutsch wie ich sprach, denn das hätte entschieden bedeutet, daß Weigel
Englisch konnte.
»Weigel«, sagte eine kalte,
klare Stimme in mein Ohr.
»Mein Name ist Holman «, sagte ich. »Es tut mir leid, aber ich spreche kein
Deutsch, Mr. Weigel .«
»Ich spreche Englisch«, sagte
die klare, scharfe Stimme.
» Huey Lambert empfahl mir, mit Ihnen Verbindung aufzunehmen, sobald ich nach München
kommen würde«, sagte ich. »Es handelt sich um Monika Beyer-Brühl .«
»Ja?« Die Stimme klang
abweisend.
»Es ist schwierig, das alles am
Telefon zu erklären«, fuhr ich energisch fort. »Vielleicht könnten wir uns
treffen und die Sache besprechen, Mr. Weigel ?«
»Wo wohnen Sie ?«
»In den Vier Jahreszeiten .«
»Da haben Sie eine
ausgezeichnete Wahl getroffen, Mr. Holman . Unten gibt
es eine sehr hübsche Bar. Wir können uns um die Mittagszeit dort treffen .«
»Vielen Dank«, sagte ich
erleichtert. »Ich bin sehr froh...«, aber er hatte bereits aufgelegt.
Ich ging gegen dreiviertel
zwölf in die Bar, ließ mich in einer gemütlichen Nische nieder und bestellte
einen Bourbon auf Eis. Etwa zehn Minuten später erschien ein Mann am Tisch und
sagte: »Mr. Holman ?«
Er war ein Meter fünfundachtzig
groß, hatte breite Schultern und einen massigen Körper. Sein blondes Haar war
kurz geschnitten, seine Nase fleischig und seine tiefliegenden blaßblauen Augen waren verschleiert. Eine dünne vertikale
Narbe vertiefte den natürlichen Spalt in seinem Kinn, und der Schnitt seines
Mundes hätte selbst einen Leichenwäscher erschreckt. Wie Huey schon gesagt hatte, war Weigel ein wirklich abgebrüht aussehender Bursche, und
die Eleganz seiner Kleidung trag in keiner Weise dazu bei, diesen Eindruck zu
mildern.
»Wollen Sie sich nicht setzen,
Mr. Weigel ?«
»Danke .« Er setzte sich mir gegenüber und bestellte bei dem wartenden Kellner ein Bier.
Nachdem es gebracht worden war, hob er grüßend das Glas, nahm einen tiefen
Schluck und setzte es wieder ab. »Ich habe nicht viel Zeit, Mr. Holman «, sagte er steif. »Es wäre mir recht, wenn Sie
gleich zur Sache kämen .«
Ich schilderte ihm in Kürze
alles Notwendige, wie Angela Burrows mir den Auftrag
erteilt hatte, Monika Beyer zu finden, wie ich entdeckt hatte, daß sie und
Daran zusammen von Los Angeles nach Paris geflogen waren, wie Lambert mir
erzählt hatte, daß München ihre Heimatstadt und daß vermutlich der einzige
Mensch, mit dem sie sich in Verbindung setzen würde, ihr Vetter Erich Weigel
sei.
Er zündete sich, nachdem ich
geendet hatte, eine Zigarette an, trank noch einen Schluck Bier und zuckte dann
leicht die Schultern. »Diese Burrows ist diejenige,
die Monikas Vertrag hier übernommen hat ?«
»Stimmt .«
»Und sie möchte, daß Monika
zurückkommt, weil sie eine — Kapitalanlage ist ?«
»Auch das stimmt«, pflichtete
ich bei.
»Was gehen mich ihre
Kapitalanlagen an ?«
»In einem Film einer großen
amerikanischen Produktion, dessen Dreharbeiten in einer Woche beginnen, ist
eine Hauptrolle für sie vorgesehen«, sagte ich. »Wenn Monika rechtzeitig
zurückkehrt, ist ihre Karriere vielleicht gesichert. Wenn sie nicht zurück ist,
dann ist ihre Karriere beendet, zumindest in Hollywood, und Angela Burrows wird hinter ihr herjagen, bis sie sie gefunden hat.
In Anbetracht eines gebrochenen Vertrages und eines drohenden Prozesses
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