Stars & Stripes und Streifenhörnchen
kongenial mit »Gulp« untertitelten. Die jüngere Tochter fragte uns, was »Gulp« bedeute, und die Frau erklärte ihr, dass wir darauf später mal zurückkommen würden. Die Tochter vergaß »Gulp« glücklicherweise wieder. Unter »Gulp« durften sich die Amerikaner nun alles Mögliche vorstellen, sogar das Undenkbare, denn zu allem Überfluss kam noch heraus, dass das Wald-Luder einst in Fetisch-Videos aufgetreten war, »nie nackt«, wie sie prompt versicherte. Aber »Gulp« traute man ihr trotzdem zu.
Den anderen Damen traute man gar nichts zu. Sie sagten nicht viel außer »Oh my God«. Und schließlich entschied sich Joe für eine brunzlangweilige Grundschullehrerin, erzählte ihr die Wahrheit übers Baggern und kriegte einen Scheck über eine Million Dollar. Die Grundschullehrerin sagte »Oh my God« und dass sie immer schon an Märchen geglaubt habe. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann machen sie jetzt »Gulp«. Mindestens.
Die Töchter inspirierte diese Serie zu allerlei Fragen etwa der Art: »Wie war das bei euch?«, und die Frau erzählte ihnen die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Sie beschrieb meine lila Latzhose und den Lenin-Sticker, und wie ich ihr einmal ein Eis kaufte und zielsicher die richtige Geschmacksrichtung traf, und dass es früh geklickt habe. Und – schwups – ehe sie sich versah, die ältere Tochter im Bauch trug. Die Einzelheiten ersparten wir den Kindern. Berichteten aber gründlich über die aus diesem Grund eilig einberufene Hochzeit im engsten Familien- und Freundeskreis, 25 Leute. Morgens“ Standesamt, mittags Gulaschsuppe, abends Essen in einem kleinen Restaurant in der Nähe von Bonn, dessen Inhaber sehr nett war, aber unverkennbar unter Neurodermitis litt, weshalb ich ihn sehr zum Unwillen der Frau Krätze-Luigi nannte. Natürlich nur in seiner Abwesenheit.
Es war eine prima Hochzeit trotz Krätze-Luigi, und immer, wenn die Frau davon erzählt, können unsere lieben amerikanischen Nachbarn und Freunde gar nicht glauben, dass man im kleinen Kreis Hochzeiten feiern kann, weil ein kleiner Kreis in Amerika 200 Personen umfasst und eine anständige Hochzeit wenigstens 400 geladene Gäste bedeutet.
Hochzeiten sind deshalb auch ein Multimilliardengeschäft in Amerika und wollen wenigstens ein Jahr geplant sein. Über Hochzeiten gibt es eigene Fernsehshows, und mir tun die Bräutigame leid, weil ungeheurer Leistungsdruck auf ihnen lastet. Jennifer, die hübsche Tanzlehrerin aus Puerto Rico, die dem Mann des Hauses auf Wunsch der Frau vergebens ein paar Elementarschritte beibringen sollte, verliebte sich irgendwann in einen anderen Tanzlehrer. Aber das einzige, was ihre Hochzeit mit unserer gemeinsam hatte, war, dass auch ihre eilig einberufen werden musste wegen – schwups – Schwangerschaft. Das war alles an Übereinstimmung. Jennifer, Tradition hier, erwartete von ihrem künftigen Gatten, dass der Trauring ein doppeltes Monatsgehalt kosten müsse. Die Damen sehen darin einen Liebesbeweis, die Herren Fron, aber das dürfen sie nicht sagen. Monatelang wurde die Hochzeit geplant, wurden Dekors bestellt, Blumen, Torten, und Jennifer gehört nicht mal zu den Anspruchsvollen. Anspruchsvolle Hochzeiten kosten um die halbe Million Dollar, und die Rechnung zahlt der Brautvater.
Ich hatte nichtsdestotrotz Mitleid mit Jennifers Künftigem und dem Brautvater. Ich hatte auch ein bisschen Mitleid mit mir selbst, denn ich malte mir aus, wie das alles werden würde mit den Töchtern, wenn die mal in dieses Alter…, aber die Frau las abermals meine Gedanken und sprach: »Bis die so weit sind, sind wir längst zurück in Deutschland.«
Das war ein ziemlich mieser Trost.
»You’re welcome«
Sitten, Saft und Umgangsformen
Als Deutsche in Amerika haben wir es ziemlich leicht. Amerikaner mögen Deutsche, trotz Hitler, Holocaust und zweier Weltkriege. Sie lieben deutsche Autos, deutsches Bier und deutsche Frauen. Manchmal können Amerikaner sogar über Deutsche lachen, trotz Hitler und Holocaust. Zu großen Heiterkeitserfolgen auf jeder Party gehört der teutonische Klassiker des »Auch Männer müssen im Sitzen pinkeln«. Einige deutsche Familien hier, nicht wir!, haben sogar kleine, rot-weiße Sticker an der Klo-Tür, die einen Mann zeigen, der im Stehen pinkelt. Der Mann ist durchgestrichen. Daneben, für die ganz Doofen, klebt ein Piktogramm mit einem auf der Kloschüssel sitzenden Mann, der nicht durchgestrichen ist, aber dafür gramgebeugt ausschaut. Das muss wohl Scham sein,
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