Stars & Stripes und Streifenhörnchen
selbst Piktogramme können sich schämen. Zu Recht. Denn über diesen germanischen Sauberkeitsfetisch können sich Amerikaner und speziell amerikanische Frauen köstlich amüsieren. »So, you pee like a woman«, sagen sie etwa zum Gastgeber der Party, der betreten schweigt, weil überführt. Über die Sitz- und Stehgewohnheiten auf dem Abort kann man stundenlang diskutieren auf Parties und die männlichen Gäste heimlich einteilen in Steher und Sitzer, wobei klar ist, dass der amerikanische Mann definitiv ein Steher ist, denn nichts anderes erwartet die amerikanische Frau von ihm.
Die kulturellen Differenzen offenbaren sich also im Großen wie im Kleinen.
Dem Mann des Hauses ist es auf Flügen noch nie, nie, nie gelungen, eine Zeitung in Ruhe durchzulesen, weil Amerikaner sehr gesprächsbedürftig sind und man nach spätestens 20 Minuten wundervolle Konversation halten kann über Krebs Vorsorge, Haustiere, Gartenarbeit, Furunkel und … der Akzent verrät's: Deutschland. Mir ist es auf Flügen und Reisen auch nie gelungen, einen Amerikaner zu treffen, der keinerlei Beziehung zu Deutschland hatte, »Oh Germany!«. Entweder war der Sitznachbar deutscher Abstammung vierter Generation, »my great-great-grandfather came from a little town in Bavaria«, und dann fummelt er seinen Führerschein aus der Tasche, der ihn eindeutig als William Schmidt ausweist, »see!«. Oder seine Tochter war Austausch-Schülerin in Braunschweig, oder er war mal auf einem Oktoberfest in Worpswede, oder sein Schwippschwager war in Frankfurt stationiert. Irgendwas Deutsches ist immer auf diesen Flügen. Und schon redet man von New York bis Salt Lake City, 4000 Kilometer lang, über Amerika und Deutschland, »beautiful women«, und vermeidet am besten Politik, weil man ja nie weiß, ob Mister Schmidt nicht doch George W. gewählt hat. Es sind, falls die Maschinen fliegen und nicht stundenlang auf der Startbahn stehen, die kurzweiligsten Flüge überhaupt. Sie haben nichts von dem wuseligen »FAZ«-Geblättere und Tomatensaft-Geschlürfe, »kann ich noch Pfeffer haben?«, eines deutschen Langstreckenflugs von Hamburg nach Düsseldorf. Sie sind entspannter. Vermutlich, ganz gewiss, liegt es daran, dass es auf amerikanischen Flügen die »FAZ« nicht gibt und richtige amerikanische Männer auch keinen Saft trinken. Amerikaner, das steht fest, sind überaus unterhaltsam, pflegeleicht, konversationsstark und kein bisschen scheu.
Davon können Mann und Frau ein Liedchen singen. Speziell die Frau, denn sie hat Glück. An guten Tagen ähnelt sie Sharon Stone und an schlechten immerhin Brigitte Nielsen, weil auch sie die blonden Haare kurz geschoren trägt und überhaupt. An solchen Tagen hat es der Mann schwer an ihrer Seite, »You look like … Sharon Stone!«, hört er dann wildfremde Männer sagen und gelegentlich »are you married?« fragen. Die Frau des Hauses hat viele gute Tage, und ihr britischer Akzent macht alles nur noch schlimmer, weil Synonym hier für »classy« und »stylish«. Das finden amerikanische Männer (auch Frauen) offenbar besonders anregend. Sie reden unentwegt mit Sharon Stone, der Mann steht daneben, leicht eifersüchtig oder gelangweilt, bis Sharon endlich sagt: »Darf ich Sie meinem Mann vorstellen?«, was ihr Gegenüber aber auch nicht weiter interessiert, »nice to meet you«, und sich wieder Sharon widmet.
Solch offenherziger Kulturaustausch funktioniert nicht zwangsläufig zweigleisig. Es gibt Firmen, die ihre Mitarbeiter eigens im störungsfreien transatlantischen Miteinander trainieren. Im Gegensatz zur wolkigen Umgangsform der Amerikaner neigen deutsche Geschäftsleute nämlich dazu, ohne höfliche Umschweife zur Sache zu kommen. Dafür existiert sogar ein feststehender Begriff: »European bluntness«, was etwa so viel heißt wie »Europäische Unverblümtheit«. Damit können viele chronisch zuvorkommende Amerikaner überhaupt nicht umgehen. Und weil wir ja Gäste in diesem Land sind, vermeide ich, Sharons amerikanische Verehrer mit einem »would you be so kind and fuck off«, zu verwünschen, obschon es mich zugegeben reizt, aber das wäre ein klassischer Fall von »European bluntness«, und auch Sharon würde das nicht besonders gefallen. Stattdessen lenke ich das Gespräch, das lernt man hier, vorsichtig auf so spannende Themen wie Krebsvorsorge, Haustiere, Gartenarbeit oder Furunkel, und irgendwann trollt sich der Bewunderer, »was really nice meeting you both«, und aus Sharon wird wieder die Frau des
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