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Stars & Stripes und Streifenhörnchen

Titel: Stars & Stripes und Streifenhörnchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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Hauses, die spricht: »Das war mal wieder so richtig typisch deutsch von dir.« Nun ja.
    An dieser Stelle muss aber endlich festgehalten werden, dass Amerikaner die liebenswürdigsten Menschen der Welt sind, zumindest in Amerika. Sofern sie nicht in Behörden arbeiten oder an Flughäfen und Uniformen tragen oder fremde Länder überfallen. Früher, noch vor zehn Jahren, waren sie nach streng wissenschaftlichen Erhebungen sogar die glücklichsten Menschen der Welt, aber dann zog Bush ins Weiße Haus, und nun sind nach neuesten Studien selbst Österreicher! glücklicher als Amerikaner.
    Ihre Leutseligkeit haben sie trotz Bush nicht verloren, und das ist eine Leistung. Sie sagen tatsächlich ständig »How are you?« und »Have a nice day« und »You're welcome«. In Deutschland, nicht unbedingt Epizentrum menschlicher Wärme außer bei Fußball-Weltmeisterschaften alle 32 Jahre, wird das schnell als floskelhaft und oberflächlich und Ausdruck minderwertiger Kultur betrachtet. Aber das können nur Leute behaupten, die die USA lediglich aus dem Fernsehen oder vom Hörensagen kennen, und das sind die meisten.
    Die Höflichkeit steckt an. Amerikaner sind so höflich und hilfsbereit, dass einem ganz anders wird vor lauter Höflichkeit und Hilfsbereitschaft – speziell als Deutschem. Einmal lag die Frau krank auf der Pritsche, während der Mann irgendwo im Mittleren Westen weilte. Sie hatte nichts Schlimmes, ein fiebriger Infekt kombiniert mit Halsschmerzen, aber sie ähnelte in diesem Zustand kaum noch Sharon Stone, bestenfalls Brigitte Nielsen an einem sehr mediokren Tag. Die Nachricht ging schnell rum in unserer Nachbarschaft, und prompt erschienen unsere lieben Nachbarn David und Myra und brachten Kürbissuppe in solchen Mengen, dass man damit ein Straßenfest hätte beköstigen können. Die Frau bedankte sich artig und überschwänglich mit heiserer Kehle, »Thank you soooo much!!«, obschon Kürbissuppe, bei aller Liebe, nie unser Ding war, nicht mal zu Halloween; wir verabscheuen in Wahrheit Kürbissuppe. Aber ihr heiserer Dank veranlasste David und Myra dazu, nun jeden Abend weitere Eimer Kürbissuppe in die Villa Kunterbunt zu schleppen, weil sie glaubten, Kürbissuppe sei für die Frau nicht nur gesund, sondern auch die ultimative kulinarische Erfüllung. Am dritten Abend sprach die jüngere Tochter ungewohnt barsch, »Mama, kannst du nicht gesund spielen, wir können die Suppe nicht mehr sehen und schon gar nicht essen.« Und also wurden Töchter und Nachbarn Zeugen einer wunderbaren Hoch-Geschwindigkeits-Genesung. Sharon bedankte sich mit Blumen.
    Kürbissuppe und aufmerksame Nachbarn mag es in Deutschland auch geben, aber in Amerika existiert für diese Anteilnahme sogar eine Vokabel: »neighborliness«, und das geht über Nachbarschaftshilfe weit hinaus.
    Nirgendwo sonst werden so viele Wohltätigkeitsveranstaltungen abgehalten wie in Amerika. Sie haben solche Charities für mittellose Weiße, für mittellose Schwarze, für mittellose Latinos, für mittellose Soldaten, für mittellose Hunde und Katzen und ganz viele für ganz besonders mittellose Politiker beider Parteien. Nirgendwo sonst wird mit derartiger Inbrunst für Bedürftige gespendet. Nach den Anschlägen des 11. September verspendeten die Amerikaner Haus und Hof. Am Flughafen JFK mussten sie einen Hangar freiräumen für Dosensuppen, Klamotten, Fernseher, Gartenlampen, Tierfutter und Spielzeug.
    Als Zugereister kann man sich diesem Spenden-Tremolo nicht entziehen. Die Töchter des Hauses, Seelen von Mensch, kommen in der City an keinem Obdachlosen vorbei, ohne wenigstens einen Dollar zu spenden, weshalb man stets ein Bündel Dollar-Scheine mit sich führt, »Papa, please«. Die jüngere Tochter sang mit vier Freundinnen sogar Weihnachtslieder auf der Fifth Avenue für die Opfer des Völkermordes in Darfur, was moralisch höchst löblich war, finanziell indes weniger einträglich, 40 Dollar. »Immerhin«, sagte die stets aufmunternde Frau des Hauses. Immerhin, genau. Es hätte schlimmer kommen können, 39 Dollar Einnahmen zum Beispiel.
    Zu Weihnachten spenden wir für Darfur, die Feuerwehr, die Obdachlosen, die Tierheime, die illegalen Immigranten, die mittellosen Soldaten, die Heilsarmee, die Armee-Veteranen, die »Mothers against drunk driving«, und in einem Anfall von übertriebener Generosität beschenkte die Frau auch die lokale Polizei, »man weiß ja nie«, was sich später als lohnenswerte Investition erweisen sollte, aber das ist ein

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