Stars & Stripes und Streifenhörnchen
anderes Kapitel.
Unsere Kleinfamilie konvertierte geschlossen zu »Have-a-nice-day«-Fans. Wir fragen auch »How are you?«, selbst wenn's uns in Wahrheit nicht die Bohne interessiert. Aber es macht den Alltag leicht und bekömmlich in New York. Sie sagen hier sogar »have a nice day« and »you're welcome«, wenn die plötzlich unter Übelkeit leidende jüngere Tochter ihren kompletten Mageninhalt ins Milchwarenregal unseres Supermarktes entleert. Ein ganzes Bataillon von Verkäufern und Kassenfrauen kümmerte sich sofort um die Kleine, »poor little thing«. Und man versuchte sich vorzustellen, wie ein ähnliches Malheur von den für ihre Herzlichkeit berühmten Aldi-Damen verdaut worden wäre.
Nun gelten die New Yorker in den USA in etwa als das, was Berliner in Deutschland sind. »Berliner Schnauze« ist eine sehr freundliche Umschreibung für Grobheit und Unfreundlichkeit. Es gibt kein New Yorker Äquivalent für Berliner Schnauze; man sagt den Bewohnern dieser Stadt lediglich nach, sie seien gemessen am US-Schnitt unhöflich, gemein, widerwärtig und überhaupt ekelhaft. Was stimmen mag, einem Europäer aber insofern nicht weiter auffällt, weil selbst die widerwärtigsten New Yorker vergleichsweise höflich sind und allemal freundlicher als Berliner.
Das nur am Rande und zu Vorurteilen in New York.
Nun zu anderen.
Die verlässlichsten ethnologischen Studien über Amerikaner und Europäer kann man dort betreiben, wo die Kulturen direkt aufeinanderprallen. Im Urlaub am besten. US-Bürger sagen auch im Urlaub »have a nice day« und »how are you?«, während Kontinentaleuropäer, Deutsche zumal, selbst an entspannten Orten wie der Karibik beängstigende Pflichterfüllung demonstrieren. Teutonen, kein Klischee, schleichen tatsächlich morgens um halb vier aus dem Zimmer und legen Badetücher auf Liegen, um ihr Revier zu markieren. Besonders teutonische Teutonen erkennt der Laie selbst in der Karibik daran, dass sie Sandwälle um ihre Liegestühle bauen, auf denen die Badetücher schon liegen. Die schlimmsten Teutonen aber sind die Franzosen, selbst in der Karibik. Franzosen, auch kein Klischee, sprechen nämlich fast ausnahmslos und nur Französisch, wogegen prinzipiell nichts einzuwenden wäre, wenn sie nicht auch vom Rest der Welt ganz selbstverständlich verlangten, Französisch zu reden oder wenigstens zu verstehen. Franzosen erkennt man in der Karibik und wahrscheinlich weltweit daran, dass sie die an sich in Deutschland patentierte Unsitte, Schlangen nach Kräften zu ignorieren, durch den Gebrauch ihrer gallischen Ellbogen am Buffet erweitert haben. Zuweilen war man geneigt, ordentlich zurückzurempeln, aber wir lebten vermutlich schon zu lange in Amerika, wo nie zurückgerempelt wird und man sich beim Rempler, »sorry Sir«, sogar noch entschuldigt.
Europäer erkennt der Beobachter auch daran, dass sie überaus sparsam mit Trinkgeld umgehen, während Amerikaner für jeden Drink einen Dollar Tipp auf den Tresen legen, weil sich das hier so gehört.
Solche Studien betrieben wir im Urlaub in der Karibik und teilten unsere Erfahrungen abends beim Bier mit Tracey und Tony Monteleone aus Richmond, Virginia. Tony sagte zur Frau des Hauses, sie habe große Ähnlichkeit mit Sharon Stone, und für einen Moment wollte ich die Konversation auf Krebsvorsorge, Gartenarbeit und Furunkel lenken, aber dann mischte sich gottlob seine Gattin Tracey ein und sagte: »Bullshit. She looks like Brigitte Nielsen«. So wurden wir Freunde.
Tracey und Tony schämten sich immer ein bisschen dafür, Amerikaner zu sein. Überhaupt schämen sich sehr viele Amerikaner, Amerikaner zu sein unter diesem Präsidenten. Tracey und Tony – er beim Verteidigungsministerium, sie Grundschullehrerin – wollten wissen, wie der Rest der Welt über Amerika denkt. Brigitte Nielsen versicherte ihnen daraufhin in einem kleinen Monolog, dass Amerikaner an sich ganz prima Menschen seien, mit einer allerdings klitzekleinen Einschränkung: »Sieht man mal von Bush und seiner Verbrecherbande ab und den 69 Millionen Idioten, die bei den letzten Wahlen für ihn gestimmt haben.« Übrig blieben, errechnete Frau Brigitte eilig, immerhin 230 Millionen prima Amerikaner, und das wären doch fast dreimal so viele, wie es Deutsche gäbe, ergo gute Quote. Es war ein, zugegeben, waghalsiges Rechenexempel, aber Tracey und Tony waren offenbar glücklich über den Exkurs. Seit Bush leiden schließlich viele Amerikaner an einem Minderwertigkeitskomplex. Sie
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