Stars & Stripes und Streifenhörnchen
sind das Gegengift zum Mainstream. Sie informieren und karikieren die Nachrichtensendungen. Was ist noch real? Was ist bereits Satire? Ist alles Realsatire? Stewart und Colbert treffen auf extrem intelligente Art den Nerv einer ganzen Generation, und das müsste den Produzenten der Hauptnachrichten an sich zu denken geben.
Die ältere Tochter wurde in den letzten beiden Jahren zum fanatischen Stewart-Colbert-Fan; sie zählt zu den 21 Prozent der Jungen in den Vereinigten Staaten, die ihren Nachrichtendurst mit der Parodie auf Nachrichten stillen. »Gibt es solche Leute auch in Deutschland?«, fragte sie die Frau. Und die antwortete: »Die Deutschen hatten mal Harald Schmidt.« Und beließ es gnädig dabei.
Wir werden in Deutschland viele DVDs brauchen.
Manchmal, zugegeben, fallen wir familienintern noch zurück in schlimmste Zeiten und gucken gemeinsam die Gebrechlichen-Shows. Wir saßen beispielsweise gebannt vor dem Bildschirm, als Paul McCartneys Ex-Zicke Heather Mills in »Dancing with the Stars« auftrat, und warteten wie zig Millionen anderer vergebens darauf, dass bei irgendeinem Foxtrott oder Swing ihre Bein-Prothese durchs Auditorium fliegen würde. Und wir schauen gelegentlich »America's most smartest Supermodel«. Junge Menschen treten in dieser Show gegeneinander an, die möglichst nicht nur schön, sondern auch helle sein sollen. Eine aussichtslose Kombination, denn die Ergebnisse sind telegen verheerend. Eine Dame hielt Darfur für ein Parfüm, eine andere glaubte, dass im amerikanischen Bürgerkrieg Russen gegen Japaner kämpften.
Abseits solcher Blüten der Unterhaltungskultur haben sich unsere Fernsehgewohnheiten in den fast sieben Jahren mit dem tonnenschweren schwarzen Kasten erheblich verändert. Die Töchter verhalten sich längst nicht mehr wie Pawlowsche Hunde. Sie schalten nicht automatisch und wortlos um vom Comedy-Kanal auf CNN, wenn ich durch die Tür trete. Sie protestieren vielmehr, »du sagst doch selbst, dass CNN auch nicht mehr das ist, was es mal war«. Das stimmt. Wir konsumieren abends als Nachrichten-Ersatz Jon Stewarts »Daily Show« und den »Colbert Report« und einmal die Woche die schlau-sarkastische Talkshow des politisch unkorrekten Bill Mäher auf HBO, dem Sender, wo's nicht piept. Wenn ich zu Hause schon nicht das f-Wort oder das s-Wort sagen darf, dann wenigstens er.
Und zwar in voller Lautstärke.
Zweimal pinkeln gleich Magnet
Hühner, Hawaii und andere Reisen
Zu unseren guten Vorsätzen in Amerika gehörte, den Töchtern möglichst viel vom Land zu zeigen. Im ersten und im zweiten Jahr wurde nicht viel aus diesem Plan, weil Terroristen in New York in Türme flogen und damit Urlaubssperre verhängten. Der Mann des Hauses allerdings war qua Beruf viel unterwegs zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Er sah betörende Orte wie Bayonne in New Jersey oder Marquette in Nebraska oder Dearborn in Michigan oder Randolph in Utah oder Rochester in Minnesota oder Bowling Green in Kentucky oder Greenwood in Mississippi. Orte, an die sich kein Tourist verirrt. Und zwar zu Recht nicht. Wir wollten, dass die Töchter Amerika kennenlemen und Orte sehen, in die sich zu Recht kein Tourist verirrt, hatten aber das Erinnerungsvermögen der Kinder massiv unterschätzt. »Ihr habt uns Hawaii versprochen«, sagte die ältere Tochter im Frühjahr 2003. Frau und Mann war kurzzeitig entfallen, dass wir den anfangs Amerikaresistenten Töchtern noch vor unserem Umzug und während der konzertierten Überzeugungs- und Bestechungsaktion von Hawaii vorgeschwärmt hatten, »da fahren wir dann auch hin«.
Das hatten die beiden stets auf dem Schirm, schon weil im amerikanischen Fernsehen ständig Dokumentationen über die schönsten Plätze der Welt laufen, Hawaii ganz weit vorn. »Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen«, sagte die jüngere. Die Frau sagte: »Guck mal in den Spiegel, du könntest dringend Urlaub gebrauchen, und warum nicht Westküste und Hawaii? Was wir haben, das haben wir.« Sie ist eine sehr pragmatische Frau. Ich guckte in den Spiegel, und also führte uns die erste große Reise in Amerika an die Westküste und von dort für ein paar Tage auf die Insel Kauai.
Von den ersten zwei Wochen dieses fabelhaften Trips entlang der Route 1 von Los Angeles nach San Francisco ist uns vor allem ein Magen-Darm-Virus in bleibender Erinnerung geblieben, der zunächst die ältere Tochter auf dem Gelände der Universal Studios in Los Angeles befiel und von dort bis San
Weitere Kostenlose Bücher