Stars & Stripes und Streifenhörnchen
kamen da durch. Aber dieser eine Abend Gebrechlichen-TV reichte mir vorerst. Er war zugegeben entschieden unterhaltsamer als Bush und Blair und Rumsfeld. Irgendwann, nach nicht mal einem Jahr, hörten auch die Töchter auf zu fragen, warum es im amerikanischen Fernsehen so oft piept. Sie haben hier nämlich einen Index von verbotenen Worten, die man weder sagen noch schreiben darf. Und zwar nie, nie, nie. Diese sieben Ur-Un-Wörter auf der Tabuliste sind: shit, piss, fuck, cunt, cocksucker, motherfucker und tits. Aber das würde in einer amerikanischen Zeitung niemals stehen, sondern: s—, p—, f—, c—, c— s—, mother— und t—. Die Liste wurde im Laufe der Zeit noch erweitert, etwa um bullshit oder son of a bitch. All das darf man nicht schreiben und auch nicht sagen, weil obszön, und also geraten amerikanische Sendungen oft zu Piep-Shows. Der Oberste Gerichtshof verbannte diese Wörter sogar in einem Urteil von 1978 aus dem Radio- und Fernsehsprachraum, und wer sie doch ausspricht, wird eben überpiept, weshalb ganz Pfiffige bullshit oder son of a bitch gar nicht erst sagen und gleich abkürzen mit BS oder SOB. Das ist politisch so gerade eben noch korrekt. Schließlich ist politische Korrektheit das A und O in Amerika. Ladendiebe etwa firmieren auch unter »non-traditional consumers«, und Prostituierte, obschon kein eingetragener Beruf, werden zu »sex care providers«, was großartig klingt und nach Dienstleistung und kein bisschen schmuddelig.
Es gab früher sogar die erfrischend offene Talkshow »Politically Incorrect«, aber nur so lange, bis der Moderator Bill Mäher den Terroristen des 11. September einen gewissen Mut attestierte, den es braucht, Flugzeuge in Türme zu fliegen. Das war politisch reichlich unkorrekt, worauf er auch prompt gefeuert wurde, sodann zum Bezahlkanal HBO flüchtete, dem einzigen Sender, wo Moderatoren und Gäste nach Herzenslust shit und fuck und cocksucker sagen dürfen und nicht überpiept werden. Dort fühlt sich Bill Mäher jetzt sehr wohl.
Die politische Korrektheit machte im Übrigen auch nicht halt vor den Töchtern, weil allgegenwärtig im amerikanischen Alltag, und wenn ihrem Erzeuger versehentlich ein »fuck« durch die Lippen rutscht, sagen sie einigermaßen angewidert: »Papa hat das f-Wort benutzt«.
Nun schauen wir bis auf Bill Mäher auf HBO eher seltener Sendungen mit hoher f-Wort- respektive Piep-Frequenz, sondern vorzugsweise Dokumentationen aller Couleur. Es ist nämlich ein in Deutschland weit verbreitetes Klischee, wonach Amerikaner kulturlos und ungebildet seien. Das ist der pure Unfug, aber das Vorurteil ist wie ein Klingelbeutel: Jeder gibt was hinzu. Wer aber jemals einen Buchladen in den Vereinigten Staaten betreten und dort die Regale mit zeitgeschichtlicher Literatur gesehen hat, wird seine Meinung unbedingt revidieren. Was in diesem Land Monat für Monat nur an politischen Büchern auf den Markt kommt, ist einzigartig. Quantitativ wie qualitativ. Und die hohe Qualität gilt in Teilen auch fürs Fernsehen. Das Niveau von Dokumentationen, speziell die des Public Broadcasting Service (PBS), ist brillant. Und auch politische Talkshows, Satiresendungen und Serien sind dem deutschen Fernsehen um Lichtjahre voraus, was unserer Kleinfamilie bei Europa-Besuchen immer wieder aufstieß. Es müssen Kader von Kreativ-Entkernten in teutonischen Funkhäusern sitzen, die nichts anderes machen als anderer Leute Ideen zu klauen. Mit welch beschämender Dreistigkeit in Deutschland alle, alle, alle Sender selbst die ärmlichsten US-Formate schlecht abkupfern, generierte bei uns anhaltende Übelkeit – Verblödungs-TV, komplett unlustig und mit »Wetten, dass?« als monatlichem Höhepunkt. Armes Deutschland. Das nur ganz nebenbei und zur kulturellen Überlegenheit des Abendlandes.
Ein guter Freund arbeitet für das deutsche Fernsehen. Er besuchte uns jedes Jahr in New York und sang jedes Jahr das hohe Lied auf die Klasse des germanischen Bildungsfernsehens, was blieb ihm übrig?, aber Frau, Töchter und Mann wurden bei diesen Debatten ganz zappelig und zu glühenden Verteidigern unseres Gastlandes. Wir können uns über das Wortmonstrum »öffentlich-rechtliches Fernsehen« köstlich amüsieren, schon weil aus dieser Logik heraus RTL und SAT.l dann privat-illegal sein müssen. Und unsere amerikanischen Freunde mögen gar nicht glauben, dass so etwas wie Staatsfernsehen noch existiert, »really?«, und halten es für ein Relikt aus Zeiten des Kalten
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