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Stars & Stripes und Streifenhörnchen

Titel: Stars & Stripes und Streifenhörnchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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Terminal in der City, wo er bei einem Wohltätigkeits-Wettfressen zugunsten hungriger New Yorker teilnahm. Er vertilgte aus diesem Anlass sieben Pfund Hühnerschenkel, und für jedes Pfund spendete die Wyndham-Hotelgruppe 250 Dollar für die »Food Bank« von New York City. Joey fraß also stellvertretend für den Hunger der Obdachlosen. Ich fragte eine ehrenamthche Helferin der »Food Bank«, ob das nicht zynisch sei, Wettfressen für Hungrige, aber sie sagte: »Warum? Geld stinkt nicht.«
    Essen, so viel steht fest, hat in Amerika nichts Sakrales. Es ist mal Sport, meist pure Nahrungsaufnahme, eher selten Genuss und zuweilen Sucht. Statistisch betrachtet schleppen Amerikaner etwa 20 Prozent mehr Körperfett als Westeuropäer mit sich herum. Es kann kein Zufall sein, dass sich in den Supermärkten direkt neben den Regalen mit frittierter Wurst am Stock die Regale mit allerlei Arzneien gegen Sodbrennen befinden. Übergewicht ist die amerikanische Seuche des 21. Jahrhunderts. Deshalb beschloss der Mann, diesem Phänomen auf den Grund zu gehen und nach Durham, North Carolina, zu reisen, in die Hauptstadt der Dicken. Die so genannt wird, weil Tausende von beleibten Amerikanern dorthin wallfahren und in den diversen Abmagerungskliniken im Speckgürtel der Stadt nach vorsichtigen Hochrechnungen pro Jahr 10 Tonnen Gewicht verlieren, was einem voll besetzten Jumbojet entspricht.
    Ich kam abends an in der Hauptstadt der Dicken, checkte ein im Hotel und traf dort an der Bar a) Eric, den rechtschaffen betrunkenen Halbbruder des Schauspielers Michael Douglas und b) Martha und Sandra, zwei Damen von höchst unterschiedlicher Natur. Martha war Ende vierzig, wog um die 160 Kilo und lebte seit einem halben Jahr in diesem Hotel. Sie kam ursprünglich aus Philadelphia und der freien Wirtschaft, hatte ein kleines Vermögen angespart und irgendwann entschieden, zumindest zeitweise in die Hauptstadt der Dicken zu ziehen. Sie kannte alle Diäten und alle Kliniken. Sie hatte alles versucht, aber der Hunger war stärker. Martha wachte ein wenig über die Neuankömmlinge wie Eric Douglas, dem die Familie generöserweise eine kombinierte Abmagerungs- und Entziehungskur spendiert hatte. Vergebens, wie sich herausstellen sollte. Zuweilen sprach sie mütterlich zu Eric »Kein Bier mehr!«. Worauf Eric lallte: »Weißt du eigentlich, wer ich bin?« und sie sagte: »Du bist der Bruder dieses nichtsnutzigen Schauspielers, der dich hierher verfrachtet hat.« Sie wachte auch ein wenig über ihre Freundin Sandra, eine blonde, schlanke Mittvierzigerin mit leichtem Hang zur Nymphomanie. Sandra flirtete an diesem Abend erst mit einem Franzosen, der kein Wort verstand, und hernach ausgiebig mit einem Piloten von United Airlines, der sofort verstand und Sandra fragte, ob auch sie zum Abnehmen nach Durham gekommen sei. Das einzige, was Sandra an diesem Abend noch abnehmen wollte, waren ihre Klamotten, und am Tresen blieben nur noch sitzen Eric, Martha und ich. Eric schaufelte einen Berg Maccaroni in sich hinein, spülte ihn hinunter mit sehr viel Bier und fragte: »Weißt du eigentlich, wer ich bin?«, und ich sprach: »Der Bruder dieses nichtsnutzigen Schauspielers, der dich hierher verfrachtet hat.« Martha sagte: »Eric hat heute sein last supper, sein letztes Abendmahl. Ab morgen macht er die Rice-House-Diät.«
    So trafen wir uns wieder, Eric und ich, am nächsten Morgen im Rice House zu Durham, Endstation Fress-Sucht. Welches begann im Jahre 1939 mit einem deutschen Juden namens Walter Kempner, einem Spezialisten für Nierenkrankheiten, der vor den Nazis nach North Carohna floh und dort durch Zufall entdeckte, dass ungesalzener Reis bei seinen Patienten zu dramatischen Gewichtsverlusten führte. Auf diese Weise entstand seine Diät, und Kempner selbst stieg auf zu einer Art Entschlackungs-Guru, der mit teutonischem Ernst über seine Kugelbäuche wachte und der Legende nach Rückfällige mit leichten Peitschenhieben auf den Po sanktionierte. Das Rice House besteht aus einem kargen, neonbeleuchteten Speisesaal, der die Kargheit der Speisen prima reflektiert. Zum Frühstück: Reis, zum Mittagessen: Reis, zum Abendessen: Reis. Wer hierherkommt, hat ein dickes Problem und kriegt sein Fett weg durch strikte Diät. Theoretisch. Praktisch ist das etwas schwieriger. Ich streifte durch die Räume und sah Eric gramgebeugt über einem Teller Reis sitzen. Er schüttelte den Kopf, und vermutlich fluchte er gerade innerlich auf seinen nichtsnutzigen, berühmten

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