Stars & Stripes und Streifenhörnchen
wollte, wo doch das ölreiche Kanada gleich ums Eck läge und rein invasionstechnisch allemal zugänglicher sei, »can you understand that?«. Ich sprach von den meines Wissens nach gut nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen den USA und Kanada und davon, dass Kriege generell keine besonders segensreiche Beschäftigung seien, aber Rosa ließ nicht locker und faselte – vermutlich vom Geiz befeuert – krudes Zeug über steigende Ölpreise und Kanada als eine Art Energie-Reservoir fürs »homeland«. Die Frau warf mir einen Blick zu, aus dem schiere Verzweiflung sprach, aber ich intervenierte nicht länger aus Angst vor einer Mieterhöhung. An diesem Tag verriet ich die sympathischen Kanadier an unsere geizige Vermieterin und fühlte mich elend. Rosa und wir wurden nie Freunde.
Acht Monate vor unserem Abschied entschloss sie sich, das Haus nicht länger zu vermieten, sondern zu verkaufen. Fortan trampelten an jedem Wochenende Fremde durch die Zimmer, assistiert von Immobilienmaklerinnen, die stets »look, how wonderful« sagten. Die meisten Besucher nickten, blickten gegen Ende ihres Rundgangs in den Kabelsalat-Keller und nahmen Abstand von der Idee, die Villa Kunterbunt zu kaufen.
Rosa wurde darüber zunehmend ungeduldig. Sie lebte nunmehr in Upstate New York in einem Ashram, und eines Tages rief sie an und bat die Frau, einen kleinen Türknauf vom Küchenschrank in die Post zu stecken. Rosa erklärte, dass der Knauf in eine Flasche käme und ihre Ashram-Freunde sodann Gebete für den Hausverkauf in die Pulle sprechen würden, die anschließend verkorkt und einem Fluss mit direktem Seezugang übergeben würde. Die Frau bekam einen Lachanfall, steckte aber dennoch den Knauf in die Post.
Nutzte nichts, falscher Fluss bestimmt, und wir fragen uns heute noch, ob irgendein Mensch den Flaschengeist in North Carolina oder Langeoog aus dem Meer gezogen und sich darüber gewundert hat, welche Idioten Türknäufe in Pullen verschicken.
Zwei Wochen später rief Rosa wieder an und fragte mit speicheltriefender Freundlichkeit, ob wir etwas dagegen hätten, wenn im Garten eine St. Joseph-Figur vergraben würde. Der heilige Joseph, lernte die Frau bei diesem Telefonat, ist der Schutzpatron der Immobilienmakler; bei problematischen Häuserverkäufen, wozu unserer augenscheinlich zählte, neigen die Makler dazu, ein sogenanntes »St. Joseph-Kit« zu erstehen – eine Figur aus PVC plus Beerdigungssack aus Leinen oder Plastik, alles für 8 Dollar 95 – und Joseph dann koppheister in der Erde zu vergraben. Tausende von amerikanischen Maklern schwören auf diesen Quatsch. Die Frau dachte wie beim Knauf zunächst an einen Scherz, bis ihr einfiel, dass Rosa komplett humorfrei ist und von Natur aus überhaupt keine Witze machen kann. Sie willigte ein. Drei Tage später stand der Gatte einer Maklerin mit einer Schippe und dem heiligen PVC-Joseph im Garten, zog ein »Meine-Frau-spinnt-total«-Gesicht, verbuddelte aber brav den heiligen Joseph mit dem Kopf nach unten in der Wiese.
Das half.
Kurz darauf hatte Rosa das Haus verkauft an eine nette, ahnungslose Kleinfamilie aus Manhattan, die kein Problem mit dem Stützpfeilerwald und dem Kabelsalat im Keller hatte. Bei der letzten Inspektion indes fiel auf, dass noch ein uralter Öltank im Garten ruhte, der dort nicht hingehörte und den Rosa aus Geizgründen nie hatte entsorgen lassen. Das Ding musste raus, und bei dieser Gelegenheit kam auch der heilige Joseph wieder zum Vorschein, eingepackt in den »protective burial plastic bag«. Joseph sah nicht glücklich aus.
Wir können nicht sagen, dass uns Rosa sehr gefehlt hätte beim Abschiednehmen von Amerika. Alles andere – bis auf George W. Bush und seine Verbrecherbande – würden wir vermissen. Alles. Und, noch schöner, wir würden sogar vermisst werden. Todd von der »Liquor Pantry« schüttelte bekümmert sein Haupt, als er von unserer unwiderruflichen Rückkehr erfuhr, »what a shame!«. Er kam sogar eigens bei uns zu Hause vorgefahren, überreichte drei Flaschen Wein und sagte »Farewell«. Unsere Freunde und Nachbarn hofften monatelang noch auf eine Fügung des Schicksals, und es hätte uns nicht gewundert, wenn sie Gebete in leere Weinflaschen aus Todds Bestand gesprochen und die Pullen der See übergeben hätten.
Am meisten aber litten die Töchter, die anfangs nicht nach Amerika wollten und nun nicht mehr zurück. Die jüngere möchte nun Tänzerin werden, die ältere, vermutlich von »Bad Cat's«
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