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quer über die Straße und winkt, als wäre Henry der Star ihres Herzens.
Ist er das vielleicht sogar? Weiß Javier das??
Apropos: Die Spanier und Walter Walbohm haben gestern Abend noch stundenlang an unserem Dach rumgeklopft und gehämmert und genagelt, bis die weiter entfernten Nachbarn sich beschwert haben.
Die Leute in unserer Straße können ja nicht wissen, dass Walter und Javier und Ramón ihr Bestes versuchen, die wenige Zeit, die Cornelius mal nicht im Haus ist, zu nutzen. Ob das nun tagsüber ist oder eben abends.
»Oh, ihr habt ja schon eine Menge geschafft!«, hat Cornelius gestaunt, als er mit Iris vom Krankenhaus nach Hause kam. Und dann etwas enttäuscht hinzugefügt: »Ohne mich.«
»Ja, das Schicksal kann man leider nicht planen«, hat Walter Walbohm bedauernd gesagt. »Aber Hauptsache, Livi und Gregory geht es gut, nicht?«
Und dem konnte Cornelius natürlich nicht widersprechen.
Dass Walter, Rema und die Spanier und auch Iris das Schicksal sehr wohl versuchen zu planen, davon ahnt Cornelius natürlich nichts. Sie wollen nämlich unbedingt verhindern, dass das alte Dach noch mal einstürzt. Und irgendwie scheinen bei uns alle zu glauben, dass Cornelius’ Tatendrang da möglicherweise in die falsche Richtung wirken könnte.
Tessa und Henry quatschen angeregt, als hätten sie sich Jahre nicht gesehen. Ich beobachte die beiden mit zusammengekniffenen Augen.
»Komm rüber, Malea!«, winkt Henry jetzt fröhlich. »Und setz deinen Spioninnenblick ab!«
Spioninnenblick! Haha!
Eigentlich ist Henry nett, aber mir ist heute nicht nach lächeln, also lächele ich nicht.
»Ist was?«, fragt nun auch Henry, als ich neben ihm und Tessa stehe.
»Der sind ein Rudel Läuse über die Leber gelaufen«, meint Tessa in ihrer typisch liebevoll schwesterlichen Art.
Danke! Und eben gerade dachte ich noch, dass sie mir vielleicht sogar helfen könnte!
»Nee«, sage ich, »nur ein Rudel Lehrer, die mir eine Sechs ins Zeugnis hauen wollen.«
Und in diesem Moment tue ich mir so leid, dass ich blöderweise fast anfange zu heulen. (Ob James Bond wohl jemals heult? Heimlich vielleicht?)
Das stimmt sogar Tessa weicher. »Malea! Süße!« Sie nimmt mich in den Arm und drückt mich.
Und da erzähle ich die ganze Geschichte.
»Du musstest gestern noch zu diesem Herrn Grünberg gehen?«, fragt Tessa, als ich zu Ende erzählt habe. Sie lacht. »Deshalb hat er mich also gefragt, ob ich noch Schwestern in der Schule hätte.«
Ich verstehe nur Meertang.
Und nun erzählt Tessa von ihrem Hühnernachmittag auf dem Marktplatz.
»Ich finde den eigentlich echt nett, diesen Gerold Grünberg«, meint Tessa. »Und er war sehr beeindruckt von meinem Engagement!«
»Von deinem was ?«, fragen Henry und ich wie aus einem Mund.
Ich, weil ich das Wort nicht kapiere. Und Henry wohl, weil Tessa ganz bestimmt nichts hat, was Lehrer im Allgemeinen beeindrucken würde. Glaube ich jedenfalls.
Tessa guckt auch sofort beleidigt. »Ihr könnt denken, was ihr wollt, aber ich habe mir diese Flugblätter von Livi und Gregory gestern Abend noch mal genau durchgelesen,
und das, was da mit diesen armen Hühnern hier bei uns in der Stadt noch gemacht wird – obwohl es gegen das Gesetz ist! –, das ist echt der Hammer!«
Puh, Tessa regt sich ja richtig auf!
»Und … und …« Sie wird immer lauter. »Und das ist wirklich eine Schande! Dagegen muss man was tun!«
Henry lächelt sanft. »Meinst du damit, dass DU etwas dagegen tun willst?«
»Hm«, macht Tessa nun wieder sehr viel leiser, »na ja, darum geht es ja nicht. Das tun ja zum Glück schon Livi und Gregory.« Sie wird wieder lauter. »Aber ich finde das total richtig!«
»Gut«, meint Henry, »ich auch.«
In diesem Moment hören wir vom Ende der Straße her die Schulglocke zur ersten Stunde bimmeln. Ich fühle mich wie ein Huhn auf der Schlachtbank.
Tessa fasst mich an der Hand. »In welcher Stunde schreibst du?«
»In der zweiten«, hauche ich.
»Gib mir dein Geschichtsbuch«, verlangt Tessa, »und verlass dich auf mich!«
Ich muss wohl aussehen wie ein verwirrter Goldfisch im Freibad, denn Tessa und Henry lachen beide über mein verdutztes Gesicht.
»Malea!«, sagt Tessa jetzt wirklich sehr schwesterlich warm und gibt mir einen Kuss. »Mausi! Dodo und ich, wir haben eine Menge drauf! Mach dir keinerlei Sorgen mehr über deine Arbeit!«
Eine Menge drauf?
Das glaub ich gerne. Aber ob das bei einer Geschichtsarbeit hilft?
Tessa
Als große Schwester hat man
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