Starters
darauf.
»Essen«, keuchte er.
Das Mädchen kroch auf die Beute zu, die gebrochene Hand immer noch gegen die Brust gepresst. Ihr Freund bückte sich und schnappte sich das Ding zuerst. Sie erwischte seine Hand, brach ein Stück der Praline ab und verschlang es gierig. Er stopfte sich den Rest in den Mund. Ich nutzte die Ablenkung und rannte zum Seiteneingang meines Unterschlupfs. Ich stieß die Tür auf, meine Tür, und stolperte ins Innere.
Ich betete, dass sie mir nicht folgten. Vermutlich hatten sie zu große Angst vor meinen Mitbewohnern und vor den Fallen, in die sie geraten könnten. Ich richtete die Handleuchte auf die Stufen, die nach oben führten. Frei. Zwei Treppenabsätze bis zum Dachgeschoss. Ich erklomm sie und spähte durch ein verdrecktes Fenster in die Tiefe. Die Renegaten wuselten wie Ungeziefer die Straße entlang. Es war Zeit für eine rasche Bestandsaufnahme. Mein Hinterkopf schmerzte immer noch von dem harten Zusammenprall mit dem Pflaster, aber ich war ohne offene Wunden und offenbar auch ohne Knochenbrüche davongekommen. Eine Hand auf die Brust gepresst, bemühte ich mich, langsamer zu atmen.
Dann wandte ich meine Aufmerksamkeit den Räumlichkeiten selbst zu. Ich horchte, so gut ich konnte, aber meine Ohren hatten sich noch nicht von den Hieben erholt. Ich schüttelte den Kopf, um das störende Rauschen und Dröhnen zu vertreiben.
Keine neuen Geräusche. Keine neuen Bewohner.
Keine Gefahr.
Der Bürosaal am Ende des Korridors zog mich an wie ein Leuchtfeuer. Er verhieß Ruhe und Schlaf. Schreibtische bildeten eine Barrikade um unser provisorisches Lager in einer Ecke des großen, kahlen Raums und schufen die Illusion von Behaglichkeit. Tyler schlief wahrscheinlich schon, und ich tastete nach den restlichen Pralinen in meinen Taschen. Vielleicht war es vernünftiger, ihn erst am Morgen damit zu überraschen.
Aber ich konnte einfach nicht so lange warten.
»Hey, wach auf! Ich habe was für dich.« Ich schob mich an den Schreibtischen vorbei, aber da war nichts. Keine Decken, kein Bruder. Nichts. Unsere spärlichen Habseligkeiten – verschwunden.
»Tyler?«, rief ich.
Das Schlucken fiel mir schwer. Ich stürzte zur Tür, aber als ich sie erreichte, ging sie auf, und eine vertraute Gestalt erschien auf der Schwelle.
»Michael!«
Er schüttelte sich das wirre blonde Haar mit einem Ruck aus der Stirn. »Callie, du bist es.« Er klemmte sich die Handleuchte unter das Kinn und schnitt eine Furcht einflößende Grimasse. Aber gleich darauf lachte er los.
Wenn er lachte, war mit Tyler bestimmt alles in Ordnung. Ich schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter.
»Wo ist Tyler?«
»Ihr beide müsst zu mir ziehen. Hier drinnen ist das Dach undicht.« Er richtete den Strahl seiner Lampe auf einen dunklen Fleck an der Decke. »Das war doch okay, oder?«
»Ich weiß nicht. Kommt darauf an, wie geschmackvoll deine Einrichtung ist.«
Ich folgte ihm in ein Großraumbüro am anderen Ende des Korridors. In zwei der Ecken bildeten Schreibtische gemütliche, schützende Nischen. Als ich näher kam, sah ich, dass er unsere Sachen genau so arrangiert hatte wie in unserem Unterschlupf. Tyler saß an der Wand, eine Decke um die Beine gewickelt. Er wirkte so winzig, wie er da auf seinem Schlafsack kauerte, viel jünger als sieben. Vielleicht lag es daran, dass ich ihn einen Moment lang verloren geglaubt hatte, oder auch an der Tatsache, dass ich den ganzen Tag fort gewesen war, aber plötzlich fiel mir auf, wie sehr er sich verändert hatte. Er hatte Untergewicht, seit wir auf der Straße lebten. Seine Haare mussten geschnitten werden. Und ich bemerkte dunkle Ringe unter seinen Augen.
»Wo warst du, Monkey?« Tylers Stimme klang heiser.
Ich ließ mir meine Besorgnis nicht anmerken. »Draußen.«
»Du warst so lange weg.«
»Aber du hattest doch Michael.« Ich kniete neben ihm nieder. »Und es hat eben lange gedauert, bis ich etwas ganz besonders Feines für dich auftreiben konnte.«
Ein zaghaftes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. »Was?«
Ich holte eines der Papierförmchen aus meiner Tasche. Tylers Augen weiteten sich.
»Eine Supertruffle?« Er schaute Michael an, der neben mir stand. »Wow!«
»Ich habe noch eine.« Ich zeigte ihm das zweite Förmchen. »Die sind beide für dich.«
Er schüttelte den Kopf. »Eine nimmst du.«
»Du brauchst die Nährstoffe«, sagte ich.
»Hast du denn heute schon gegessen?«, erkundigte er sich. Ich starrte ihn an. Konnte ich ihn anschwindeln? Nein, er
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