Starters
konnte. Ich drehte mich zu Michael um. Das Strahlen auf seinem Gesicht erlosch, und er ließ die Schultern hängen.
Blake kämpfte sich an den letzten Zuschauern vorbei. Ich hatte seinem Großvater versprochen, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Wie sollte ich das bewerkstelligen?
Unvermittelt stand er vor mir. Mir blieb keine Zeit zum Nachdenken.
»Callie.« Er nickte mir zu. »Deine Haushälterin sagte mir, dass ich dich hier finden würde.« Er schob beide Hände in die Taschen und schaute zu Boden. »Meine Freunde behaupten, ich sei ein viel zu ernster Typ. Vielleicht wird man so, wenn man der Enkel eines Senators ist.« Er zuckte mit den Schultern. »Mein Dad war auch eher schweigsam. Ganz anders als meine Mutter. Die verstand sich aufs Feiern.« Er lächelte wehmütig.
Wovon in aller Welt redete er? Das klang, als habe er eine Ansprache vorbereitet.
»Jedenfalls finden alle, ich sei ein Bücherwurm und würde mit Sicherheit zu Hause versauern.« Er trat von einem Fuß auf den anderen und sah auf seine Schuhe. »Was ich zu sagen versuche …« Er unterbrach sich, zog sein Handy hervor und hielt mir das Display unter die Nase. »Die Aufnahme.«
Ich warf einen Blick auf das Foto, von dem ich ihm erzählt hatte. Das Erinnerungsfoto, das Blake am Tag unseres Ausritts gemacht hatte. Nein, nicht Blake, sondern der Old Man. Er stand hinter mir, einen Arm um meine Schultern gelegt, den Kopf an mein Haar geschmiegt, während ich mit beiden Händen seinen Unterarm umklammert hielt. Wir hatten uns eben von den Pferden geschwungen – fröhlich, mit heißen Wangen und ein wenig verschwitzt.
Wir strahlten beide vor Glück. Es fiel mir schwer, dieses Bild zu betrachten, aber Blake würde nie verstehen, warum.
»Ich erinnere mich nicht daran, wie es damals war«, sagte er. »Aber ich sehe so glücklich aus. Ich habe noch nie zuvor so glücklich ausgesehen, da bin ich sicher. Noch nie.«
Unsere Blicke trafen sich, und diesmal schaute er nicht weg. »Und was immer zwischen uns war, in diesen verlorenen Wochen, die irgendwie aus meinem Gedächtnis gestrichen sind – ich möchte es zurückgewinnen.«
Ich sah ihn forschend an. Das war kein Gerede. Er meinte es ernst.
»Und du?«, fuhr er fort. »Geht es dir auch so wie mir?«
Mir war flau zumute. Konnten wir etwas zurückgewinnen, das von Anfang an nicht für uns bestimmt gewesen war?
»Es ist okay«, sagte er. »Du musst dich nicht jetzt entscheiden.«
Er streckte mir die Hand entgegen. Ich erstarrte.
»Du weißt, was wirklich geschehen ist, Callie. Ich brauche deine Hilfe, um mich zu erinnern.«
In diesem Moment sah er aus wie ein Astronaut, der seine Sicherheitsleine losgelassen hatte. Wenn er sie nicht mehr zu fassen bekam, würde er für alle Zeiten in die endlose Schwärze des Alls driften. Ich kannte diese Empfindung, dieses Gefühl der Panik, das Sekunden zu Jahren dehnte, und diesen tiefen Schmerz, der davon rührte, dass man sich nicht nur von einem Menschen verletzt fühlte, sondern von einer Gruppe, dann von seiner ganzen Umgebung, dann von einem System, bis man die komplette Welt infrage stellte. Und dein letzter Gedanke, wenn du die Finger nach der Sicherheitsleine ausstreckst, gilt der Frage, wie du einen Weg finden wirst, alles wieder in Ordnung zu bringen, was kaputtgegangen ist. Damit du sagen kannst, ja, ich will wieder ein Teil der Welt sein.
Er war nicht der Blake, den ich kannte. Aber er sah aus wie Blake, fühlte sich an wie Blake. Ihm war die Sicherheit verloren gegangen, und ich war die Einzige, die sie ihm zurückgeben könnte.
Wir würden sehen, wie sich alles entwickelte.
Dann hörte ich jemanden atmen. In meinem Kopf.
Cal, mein Mädchen.
Diese Stimme hatte ich lange Zeit nicht mehr gehört.
Wenn Falken schreien, ist es Zeit zu fliegen.
Mein Kopf fuhr herum, doch natürlich sah ich niemanden, dem die Stimme gehörte.
Blake lächelte neugierig. »Alles in Ordnung mit dir?«
Ich horchte in mich hinein. Doch da war nichts mehr.
Blake nahm meine Hand im gleichen Augenblick, als die Abrissbirne auf die Spiegelfassade der Body Bank traf.
danksagung
danksagung Wenn dies eine Preisverleihungsgala wäre, müsste das Orchester mich wahrscheinlich irgendwann von der Bühne jagen, weil ich so vielen Menschen zu danken habe.
Zu allererst der Person, die dies alles möglich gemacht hat, Barbara Poelle, die genau weiß, wie man einen Roman innerhalb von sechs Tagen (eingeschlossen ein Feiertagswochenende) verkauft. Lasst euch nicht von
Weitere Kostenlose Bücher