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StasiPolka (German Edition)

StasiPolka (German Edition)

Titel: StasiPolka (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Pesch
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hinter der Ausfahrt, rechts neben  dem Wagen eine solide Leitplanke. Weiter vorn schleuderte der Van auf den Standstreifen. Ein Mann sprang heraus. Pavel legte den Rückwärtsgang ein und gab Vollgas bis die Leitplanke rechts im Boden versank. Pavel bog in die Ausfahrt  und beschleunigte. Die Aktion hatte keine dreißig Sekunden gedauert.
    Der Pole kurvte nach links in eine dunkle Landstrasse und  gab Gas. „Nach der Wende habe ich in dieser Gegend Auslegeware und Haustüren verkauft. Selbst, wenn sie uns noch mal nahe kommen, denen drehen wir eine Nase.“ 
    „Sie sollten beim Fernsehen arbeiten.“
    „Das sind doch alles Kirmesfahrer.“ Wogegen nichts einzuwenden war.
    Weit hinten tauchte ein Fahrzeug mit aufgeblendeten Scheinwerfern auf. Pavel bog links in einen schmalen Weg ein, dann wieder rechts, dann auf eine Landstrasse, und so weiter. Irgendwo in der Gegend lag der Müggelsee, aber Vincent gab sich keine Mühe, die Übersicht zu behalten. Sie rauschten durch Wohnviertel, passierten Frie drichshagen und das dunkle Dahlwitz und erreichten schließlich die Rennbahnallee. Pavel fuhr an den Straßenrand und schaltete die Scheinwerfer ab. 
    Vincent drückte seine Hand. „Danke. Hat Spaß gemacht.“
    „Jederzeit wieder.“ Sie stiegen aus, Pavel holte Vincents Reisetasche, klatschte seine Hand ab, zeigte den hochgereckten Daumen setzte ans Steuer und gab Gas.. Offenbar gab es haufenweise Basketball und amerikanische Actionfilme im polnischen Fernsehen. Rundherum war es dunkel und still. Vincent sah Pavel nach, bis seine Rücklichter verschwanden und füllte die Lungen tief mit heimatlicher Luft.
     
    Die breite Allee, an der Teichmann Haus lag, hatte noch immer keinen festen Belag. Der Fahrer blendete auf und umfuhr vorsichtig die tiefen Schlaglöcher, die sich in den Sandboden gegraben hatten. Über ihnen bildeten die Äste mächtiger Kastanien ein undurchdringliches Dach. Hier fiel jedes fremde Fahrzeug sofort auf. Vincent fragte sich, an wie vielen Drähten Teichmann zog, damit hier alles so blieb, wie zu Erich Honeckers Zeiten.
    Katja wartete bereits in der Haustür, als ihn die beiden schweigsamen Leibwächter in der dunklen Zufahrt absetzten. Ihr blondes Haar schimmerte im Licht der altmodischen Funzel über dem Eingang. Sie trug Schwarz. Flache Schuhe, enge Hose und ein kragenloses Hemd ohne Ärmel. Von weitem wirkte sie wie die Chanel Version des jungen Mädchens, das Vincent einst geliebt hatte. Und er mochte sie immer noch. Alles, was er heute für sie tat, war richtig.
    Sie drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange, machte für ihn den Eingang frei, hielt aber seine Hand fest. Vincent schaute sie an. Von nahem wirkte sie abgespannt. Sie war nicht mehr die gleiche Frau, wie noch vor kurzem in Waterloo.
    „Was ist los Katja?“
    „Ich werde hier verrückt. Dieses Warten in der Deckung frisst mich auf. Teichmann gehe ich auch schon auf die Nerven.“ Sie schloss die Haustür und ging vor ihm her in den Wohnraum.
    „Da kommt ja der Drachentöter, um die Jungfrau zu retten.“ Teichmann redete gern in Bildern, die nicht mehr ganz zeitgemäß waren. Katja warf Vincent einen Blick zu. Ihm wurde klar, wer hier wem auf die Ne rven ging.
    Vincent schüttelte ihm die Hand. „Gibt es noch ein Bier?“
    Katja verschwand irgendwo im Dunkel. Teichmann saß an einem runden Tisch, der mit filigranem Werkzeug bedeckt war. Vor ihm, im Licht einer starken Klemmlampe stand das halbfertige Modell eines historischen Eisenbahnwaggons. Er schaute Vincent über den Rand seiner Lupenbrille prüfend an. Gregor musste etwa siebzig sein, aber es wäre gefährlich, sich durch seine großväterliche Art und die gedrechselte Sprache täuschen zu lassen. Er war ein alter Wolf, der immer noch ein Rudel führen konnte.
    Vincent betrachtete das Modell genauer. Die kleinen Speichenräder des Wa ggons hatten eine Gummibereifung. „Seit wann baust du Straßenbahnen?“
    „Seit meine Gleise voll sind.“ Teichmanns Hobby war es, alte Eisenbahnwa ggons und Lokomotiven im Maßstab 1:32 nachzubauen. Das Dachgeschoss seines Hauses war ein einziges großes Modellbahngelände, das ihn zwei Ehen und seine gesamte Freizeit gekostet hatte. Wenn es um die Details eines Waggons der Jahrhundertwende ging, war er penibler, als ein britischer Ahnenforscher.
    „Wo läuft dieses Ding dann?“
    „Dieses Ding ist ein dampfgetriebener Omnibus der Berliner Eisenbahnen von 1908.“ Er strich liebevoll über den kleinen Wagen, der in

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