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StasiPolka (German Edition)

StasiPolka (German Edition)

Titel: StasiPolka (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Pesch
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Haus brannte kein Licht; alle Fenster waren fest geschlossen. Die Einfahrt war leer. Offenbar war Sohnemann mit dem kleinen japanischen Sportwagen unterwegs.
    Vincent schaute auf die Uhr. Kurz nach Mitternacht. Schon in Wien hatte es g enieselt, inzwischen regnete es stark. Nach Einbruch der Dunkelheit war er mit der Lokalbahn, die viertelstündlich die Zocker von der Wiener Oper zum Casino brachte, nach Baden zurückgekehrt. Er schlug einen großen Bogen um den Jägerweg. Zwar würde die Polizei die Villen in der Nachbarschaft längst abgeklappert haben, aber vielleicht fuhr  hin und wieder ein Streifenwagen durch die Gegend. Es hatte keine Umstände gemacht, durch den dunklen Garten eines Nachbarhauses auf die Rückseite von Haussers Grundstück zu schleichen. Kein Hund schlug an; bei diesem Sauwetter holten Herrchen und Frauchen ihren Liebling ins Trockne. Die Sicht war ohnehin begrenzt,, und der murmelnde Regen überdeckte das Geräusch seiner Schritte.
    Er verwarf den Gedanken, von der Rückseite in das Haus einzubrechen. Wer weiß, ob Hausser die Türen nicht zusätzlich gesichert hatte. Die eisernen Läden vor den Kellerfenstern zu knacken, würde Lärm machen und Zeit kosten. An der Westseite des Hauses boten Büsche eine gute Deckung. Außerdem waren von hier die Schüsse gefa llen. Er arbeitete sich langsam am Haus entlang zur Straßenfront. Hier und da war Putz herab gebröckelt; getrockneter Schlamm, vom Regen hoch gespritzt, verklebte die Läden der Kellerfenster. Vincent schob sich um die Ecke des Hauses und dankte Hausser im Stillen, dass er den Rhododendron so wild wuchern ließ. Die Strasse war ruhig. An der Hauswand keine Leuchten oder sichtbaren Signalgeber, aber zwei der fünf Erkerfenster standen auf Kipp. Eine Falle, oder wollte Anna Schiller nur lüften?
    Es war keine Zeit, lange zu überlegen. Er streifte Gummihandschuhe über, zog sich zur Fensterbank hoch und griff seitwärts in den offenen Spalt. Mit den Fingerspi tzen erwischte er den Griff des nächsten Fensters, das lautlos aufschwang. In der nächsten Sekunde war er im Haus, schloss das Fenster und zog die Glock aus dem Gürtel.
    Es sah nicht nach Geld aus. Eine gute Stube aus den Fünfzigern. Wenig benutzt, voll gestopft mit den Dingen, die sich über die Jahre ansammeln. Eine Fundgrube für Wohnungsarchäologen. Im Erker standen kleine Sessel ohne Armlehen um ein Tisc hchen aus dunklem Holz. Dann eine Stufe hinunter zum Wohnraum, der sich quer durch das Haus bis zum Garten zog. Offener Kamin, Landschaftsmalerei dubioser Herkunft. Rechts um die Ecke, mit Blick zum Garten ein ovaler Esstisch, der mindestens zwei Meter lang war. Es sah nicht so aus, als würde er regelmäßig benutzt. Wahrscheinlich gab es eine Küche, in der Haussers aßen, wenn sie keine Gäste hatten. Um den Tisch altmodische Stühle, unbequem genug, um eine Mahlzeit nicht in die Länge zu ziehen. In der rechten Wand die offene Küchentür. Wie vermutet Tisch mit Eckbank an der Fensterseite. Im Ausguss benutztes Geschirr und Besteck. Das Küchenfenster ging zur Strasse hin; er war einmal um die Halle im Kern des Hauses herum gegangen.
    Die Eingangshalle war dunkel getäfelt. Ein massiver Tisch stand im Mitte lpunkt, darauf eine große Vase und allerlei Nippes. Die Holztreppe nach oben zog sich über zwei Stockwerke an den Wänden entlang. Vincent drückte sich an die Täfelung und stieg leise nach oben. Im ersten Stock gab es drei hohe Türen. Er lauschte. Alles still bis auf einen Raum, aus dem er leises Schnarchen hörte. Er drückte die Klinke.
    Anna Schiller lag mit offenem Mund auf dem Rücken. Unter dem dicken Fede rbett schaute ein Fuß hervor. Ihre Ringe, eine Kette und Ohrclips lagen auf dem Nachttisch. Daneben stand ein leeres Glas. Sie hatte entweder getrunken oder nach der Aufregung des Tages ein Schlafmittel genommen. Vincent überprüfte die beiden anderen Räume und stieg dann hoch ins Obergeschoss. Wieder drei Türen. Er öffnete die zur Westseite. Von hier war geschossen worden.
    Ein Zimmer, wie es sich halbwüchsige Söhne einrichten. In der Dachgaube ein Schreibtisch, davor ein Stuhl auf Rollen, Regale und Poster, der obligate Baseballhan dschuh, Tennis- und Squashschläger, ein Basketball. Unter der Dachschräge ein niedriges Bett aus hellem Holz, in dem ein Mann bäuchlings schlief. Vor dem Bett eine offene Sporttasche, aus der Wäsche quoll. Das Gewehr lag in einem Futteral auf dem Schreibtisch. Über der Lehne des Stuhls hing eine Lederjacke.

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