STASIRATTE
mal dabei?“
Ich nickte ernst und versuchte mich im Gesichtsausdruck „Bagatelle“.
„Was geht denn da genau vor sich?“, fragte er weiter und schloss an: „Schreiben Sie uns das ganze Vorgehen doch mal auf, dann ist da mal Ruhe und wir haben was in der Hand.“ Ich sah ihn an und fragte mich, wo die Ruhe „dann mal“ warund was wer in der Hand haben wollte. Aber dass ich hier et-was nachzufragen hatte, war nicht der Fall. Das mussten sie mir nicht erst heute erklären. Wenn ich irgendetwas wissen sollte, würde ich es gesagt bekommen. Das hatte ich recht bald verstanden. Sie waren der mächtige Geheimdienst und ich der winzige Informant.
Der Gerd sah genauso unauffällig und belanglos aus wie Micha. Nur nicht so freundlich. Die braunen Haare waren seitlich gescheitelt. Sein Blick wirkte nicht so unvoreingenommen freundlich wie der von Micha, eher berechnend. Er war schlank und hatte eine beigefarbene Hose mit Bügelfalte an, dazu trug er ein kurzärmliges graues Hemd aus einem sperrigen Stoff. In der kleinen Brusttasche klemmte ein messingfarbener Kugelschreiber. Als er meine Musterung bemerkte, machte er eine auffordernde Kopfbewegung in Richtung der Schreibutensilien, die vor mir lagen.
Nachdem ich mir sorgfältig das vorbereitete Blatt Papier zurechtgerückt hatte, drückte ich auf den Kugelschreiberknopf und begann, eine Geschichte der Halbwahrheiten niederzuschreiben. Es war von zufälligen Gesprächen zwischen Paul und den Gästen der Kristallbar die Rede. Paul hatte von seiner kleinen Landwirtschaft erzählt und bei den Gästen den Appetit auf Frischfleisch geweckt, das es so in unseren Geschäften nicht zu kaufen gab. Und zufällig war gerade in einer arabischen Großfamilie ein Fest in Vorbereitung. Um die Versorgung mit frischem Lammfleisch zu sichern, hatte man sich an Pauls landwirtschaftliche Möglichkeiten erinnert und mich angesprochen und um Vermittlung gebeten. Natürlich will man helfen und ich hatte die Anfrage zu Hause dann weitergegeben. Paul hatte alles Nötige organisiert und eine pünktliche Lieferung veranlasst. Und das war’s dann.
Dass daraus einer seiner florierendsten Geschäftszweige geworden war, passte nicht mehr auf mein Blatt. Und auch dieunappetitlichen Details behielt ich für mich. Denn dass das Fleisch frisch war, stand in ganz bizarrer Weise außer Frage. Die Lämmer, die Paul von den Schäfern der Gegend abkaufte, wurden auf seinem Hof entsprechend den Wünschen seiner Kunden geschächtet. Paul hatte in Erfahrung gebracht, dass diese bei uns verbotene Tötungsmethode einigen seiner islamischen Kunden wegen ihres Glaubens sehr wichtig und sie bereit waren, für diese besondere Dienstleistung ihr Geld auszugeben.
Das war für Paul Anlass genug, das Schlachten der Lämmer ohne Betäubung mit nur einem einzigen Schnitt zu erlernen. Ein Fleischer aus einem Nachbardorf übernahm die Ausbildung. Für die Kunden war es dabei von großer Wichtigkeit, dass die Tiere vollständig ausbluteten, da sie ihrem Glauben nach kein Blut verzehren durften. Für die Tiere sollte diese Methode außerdem absolut schmerzfrei sein, was ich sehr hoffte.
Die weitere Bearbeitung der geschlachteten Tiere nahm Paul dann auch in die Hand. Die Innereien landeten bei Hundebesitzern und die Felle zur Weiterbearbeitung bei einem Gerber. Das Fleisch wurde dann zerlegt und in großen Gefäßen von den Kunden selbst mitgenommen oder ihnen nach Hause geliefert.
Doch mich ekelte die ganze Prozedur und noch mehr die Tatsache an, dass Paul sich dazu bereitfand. Allmählich glaubte ich sogar, es an ihm zu riechen, wenn er geschlachtet hatte. Unser Liebesleben bildete sich genauso konstant zurück, wie sein Geschäft zunahm. Dies war dann wohl auch die Zeit, in der er begann, sich verstärkt außer Haus zu orientieren.
Für den Gerd und meinen leidlich wahrheitsgetreuen Bericht ließ ich diese sehr persönlichen Feststellungen aus.
Als ich fertig war, nahm er sich das Papier und las es kurz. „Was wurde denn so bezahlt?“, fragte er anschließend. Dashatte ich mir gedacht, dass er nicht so blöd sein würde, den heikelsten Punkt, der in meiner Darstellung planmäßig fehlte, einfach zu übergehen. Paul hatte für diesen Fall einen Fantasiepreis ermittelt, der nicht zu selbstlos aussah, aber auch keinen reichen Mann aus ihm machen würde. Ich nannte ihn. Der Gerd machte eine kurze Notiz auf meinem Blatt und schob es ohne weitere Regung zwischen andere Unterlagen in seine graue Kunstledermappe.
Dann
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