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STASIRATTE

STASIRATTE

Titel: STASIRATTE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Döhring
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Erlaubnis fragen, aber er ist immer weg und macht irgendwo sein Ding, da bin ich einfach noch nicht dazu gekommen.“
    „Also was auch immer du vorhast, pass auf oder lass es am besten sein“, riet mir Gerry zum Schluss. „Ich will die Typen nicht noch mal in meiner Wohnung haben.“
    Ich bagatellisierte die Geschichte, so gut es ging, und Gerry gab sich zufrieden.
    * * *
    Michas Anruf ließ nicht lange auf sich warten. Es wäre eilig und ob ich schon morgen Nachmittag Zeit hätte. Es war einer meiner freien Tage und ich wollte zu Paul aufs Land fahren oder auch krank spielen, ich wusste es im Moment selbst nicht. Ich stand neben mir und fühlte mich müde und kraftlos. Stumpfsinnig sagte ich zu, hörte nur mit halbem Ohr auf die Uhrzeit und legte auf.
    Als ich bei den Klosters eintraf, spürte ich sogleich die frostige Stimmung. Michas Blick war heute anders als sonst. Gleich nachdem ich Platz genommen hatte, fragte er mich ungewohnt förmlich, wie es mir ginge. „Es geht mir gut“, log ich und schwieg wieder.
    „Na prima“, war das Nächste, was er sagte und schob mir ein Blatt Papier zu. „Was ist denn an der Geschichte mit dem Libyer dran?“ Er fragte ohne Umschweife und mir drehte sich der Magen um. Da hatte ich wirklich einen Volltreffer gelandet mit meiner Romanze.
    „Was soll ich dazu sagen?“, fragte ich mich eher selbst, „Es kam ganz plötzlich, ich weiß auch nicht, wie, und ist auch schon wieder vorbei.“ Was sollte ich ihm groß erzählen, was er offenkundig selbst schon wusste. Ich fühlte mich grässlichund sah auf das Muster der blasslila Tischdecke. Dabei hörte ich Micha zu, der nicht nur Fragen stellte, sondern in diesem Fall mal Auskunft gab.
    „Ich will es mal so ausdrücken“, begann er, „seit dem verheerenden Bombenanschlag vor einigen Wochen in einer Diskothek in Westberlin genießen Diplomaten bestimmter Länder, die man damit in Verbindung bringen könnte, ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis, welches dazu führt, dass sie derzeit rund um die Uhr beobachtet und ihre Aktivitäten dokumentiert werden.“
    Na toll, was als kleines Abenteuer geplant war, wuchs sich zum Desaster aus. Ich wollte mal Sex außer Haus und Aufmerksamkeit und stattdessen verliebte ich mich in einen mutmaßlichen Terroristen.
    Natürlich kannte ich die Nachrichten und Fernsehberichte und wusste auch, welches Land Micha gemeint hatte. Das libysche Volksbüro in Ostberlin wurde in dem Zusammenhang mehrfach genannt. Ich hatte nicht wissen wollen, wer oder was Jamal ist, als ich mich mit ihm verabredet hatte. Wusste ich es jetzt?
    Als ich mir dazu noch ausmalte, was die allgegenwärtigen Beobachter alles gesehen haben könnten, wollte ich vor Scham gern im Erdboden verschwinden und war Micha wirklich dankbar für seine zurückhaltende Art, in der er die Angelegenheit mit mir besprach. Als er mit seinen Ausführungen fertig war, kam das unvermeidliche Blatt Papier. „Jana, ich brauche eine Stellungnahme zu dem Vorgang“, sagte er förmlich. Und leise, väterlicher fügte er hinzu: „Er wird nicht mehr lange hier sein.“ Bei diesem Hinweis sah er an mir vorbei zum Fenster und räusperte sich.
    Matt griff ich zum Kuli. Es fiel mir zum ersten Mal schwer, die passenden Worte zu finden. Ich sah auf und zu Micha herüber. Er saß ruhig da und lächelte mitleidig.
    Nach den vielen Zusammenkünften war eine gewisse Vertrautheit zwischen uns entstanden. Ich hatte Achtung vor ihm und sah in Micha immer mehr den Menschen, den Familienvater, abgekoppelt vom System, für das er stand. In meiner miserablen Situation empfand ich seine Nähe wie ein Schutzschild vor noch finstereren Mächten.
    Kurz und sachlich schrieb ich der Staatssicherheit meine kurze Leidenschaft in ihre Akten.
    * * *
    Ein halbes Jahr später hielt ich meinen Reisepass für eine Geburtstagsreise nach Westberlin zu meiner Oma in den Händen. Ich hatte es gar nicht glauben können, als die Benachrichtigung zur Abholung des Passes im Briefkasten lag.
    Vor Freude tanzte ich im Wohnzimmer herum und konnte es kaum erwarten, dass Paul und meine Eltern die wunderbare Nachricht hörten. Gleich nach ihnen sollte Gerry davon erfahren und sich mit mir freuen.
    An Paul war meine Liaison dank seiner eigenen vielseitigen Interessen unbemerkt vorbeigegangen und nachdem ich mich ein wenig von Liebeskummer und Schrecken erholt hatte, fühlte ich mich in unserer Beziehung wieder deutlich wohler. Gerry hatte mir die unheimliche Begegnung, die ich ihm eingebrockt

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