StatusAngst
Status ein ungewisser ist und vom wirtschaftlichen Erfolg ihres Unternehmens ebenso abhängt wie von der eigenen Leistung, dass sie Instrumente der Profiterzeugung sind und bleiben und nicht, wie sie emotional unbeirrbar hoffen, für sich genommen wichtig sind.
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Dass soziale Unsicherheit eine so große Rolle spielt, liegt nicht nur am Geld. Es liegt auch, um zu unserem Ausgangspunkt zurückzukehren, an der Liebe, denn Arbeit ist der Hauptfaktor für das Maß an Anerkennung und Zuwendung, das uns entgegengebracht wird. Von unserer Antwort auf die Frage nach unserer Beschäftigung - oft die erste Klippe im Gespräch mit neuen Bekannten — hängt ab, wie man uns fortan begegnen wird.
Zu unserem Leidwesen liegt es selten allein in unserer Macht, eine hinreichend eindrucksvolle Antwort zu geben. Sie ist bedingt durch das Auf und Ab der Konjunktur, durch den Kampf auf dem Arbeitsmarkt, durch Glück oder Pech, durch unseren Einfallsreichtum, während unser Verlangen nach Liebe immer konstant bleibt — so konstant oder launenhaft vermutlich wie in unseren allerersten Jahren. Es ist dies eine Diskrepanz zwischen unseren Bedürfnissen und den Unwägbarkeiten der Welt, die eine unverrückbare fünfte Säule unserer Statusangst darstellt.
Zweiter Teil
Der Kampf gegen die Statusangst
I. Philosophie
Ehre und Ehrverletzung
1
1834 kam es in Hamburg zu einem Duell. Der Baron von Ropp hatte sich in einem Gedicht über den mickrigen und schlappen Schnurrbart seines Offizierskollegen, des Barons von Trautmannsdorf, mokiert und diskret angedeutet, andere Körperteile Trautmannsdorfs könnten ähnlich beschaffen sein. Entzündet hatte sich die Fehde an der Rivalität um die Gunst der grünäugigen polnischen Generalswitwe Gräfin Lodoiska, und da sie ihren Konflikt nicht gütlich beizulegen vermochten, traten sich die beiden eines Morgens auf einem Feld vor den Toren Hamburgs gegenüber. Sie hatten den Säbel gewählt und starben im nachfolgenden Kampf. Beide standen kurz vor dem dreißigsten Lebensjahr.
Ein solcher Vorfall war nichts Außergewöhnliches. Die Sitte des Duellierens nahm ihren Anfang im Italien der Renaissance und forderte bis zum Ende des Ersten Weltkriegs in Europa Hunderttausende von Toten. Allein im Spanien des 17.Jahrhunderts starben fünftausend Männer im Duell. Reisende wurden ermahnt, den Spaniern mit allergrößter Vorsicht zu begegnen, um nicht deren Stolz zu verletzen und dies womöglich mit dem Leben zu bezahlen. »Duelle gibt es in Spanien alle Tage«, erklärt eine Bühnenfigur Calderons. 1608 berichtete Lord Herbert of Cherbury aus Frankreich, es werde dort »kaum ein Mann des Ansehens für wert erachtet, der nicht einen anderen im Duell getötet hat«. Und in England galt es als ausgemacht, dass nur der ein wahrer Gentleman sei, der bereits die »Klingen gekreuzt« habe.
Zwar ging es beim Duell gelegentlich auch um ernsthafte Konflikte, aber in der Mehrzahl waren es geringfügige, sogar lächerliche Ehrenhändel, die zum Kampf auf Leben und Tod führten. 1678 starb ein Mann in Paris, weil er das Appartement eines anderen als geschmacklos bezeichnet hatte. 1702 tötete ein florentinischer Literat einen Cousin, der ihm mangelnden Sinn für das Werk Dantes vorwarf. Im Frankreich des Bürgerkönigs Louis-Philippe duellierten sich zwei Wachoffiziere am Quai des Tuileries um die Besitzrechte an einer Angorakatze.
2
Das Duell symbolisiert die radikale Weigerung zu glauben, dass unser Status unsere Privatangelegenheit sein könne, dass wir es sind, die über ihn entscheiden, und nicht das schwankende Urteil unserer Mitmenschen. Das Selbstbild des Duellanten wird einzig durch das bestimmt, was die anderen über ihn denken. Er kann vor sich selbst nicht mehr bestehen, wenn andere ihn schlecht oder ehrlos finden, für einen Feigling oder Versager halten, einen Trottel oder einen Weichling. Sein Selbstbild hängt so sehr vom Urteil der anderen ab, dass er lieber den tödlichen Schuss oder Hieb als die Rufschädigung hinnimmt.
In vielen Kulturen wurde der Erhalt des Status, oder genauer, der Ehre, zur vornehmsten Aufgabe des Mannes erklärt. In der griechischen Dorfgemeinde der Antike hieß die Ehre tîmê, in der muslimischen Kultur nannte man sie sharaf, bei den Hindus izzat — und in jedem Fall wurde vom Mann erwartet, dass er seine Ehre mit Gewalt verteidigte. Im alten Spanien musste ein
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