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fast immer das schnellste und effektivste Mittel der Kostensenkung.
Internationale Firmen unter Kostendruck können schwerlich der Versuchung widerstehen, ihre Produktion in die Niedriglohnländer zu verlagern, und nicht selten fusionieren sie mit Konkurrenten, um ihre Rentabilität zu steigern — auch das mit der Folge, dass Scharen von Arbeitskräften überflüssig werden. Oder sie setzen Roboter ein, um ihre Belegschaft zu reduzieren. Der erste Geldautomat (Automatic Teller Machine, ATM) wurde 1968 entwickelt und 1969 in einer Filiale der Chemical Bank von Manhattan installiert. Zehn Jahre später gab es weltweit 50 000 Bankautomaten, im Jahr 2000 waren es mehr als eine Million. Doch den Bankkassierern brachte die eindrucksvolle Erfindung kein Glück. Ein Geldautomat ersetzt die Arbeit von mindestens 37 Kassierern (und wird viel seltener krank), wie sich alsbald zeigte. Allein in den USA verloren zwischen 1980 und 1995 um die 500 000 Bankangestellte ihren Job, etwa die Hälfte der im Privatkundengeschäft Tätigen, und der Hauptgrund war die Einfuhrung dieser praktischen Maschinen.
Auch der Druck, ständig neue und verbesserte Produkte in den Markt einzuführen, kann sich verhängnisvoll auf die Arbeitnehmer auswirken. In früheren Zeiten überstieg die Lebensdauer von Produkten bei weitem die Lebenserwartung der Menschen, die sie herstellten und nutzten. Der japanische Kimono blieb über vierhundert Jahre unverändert. Die Chinesen des 18.Jahrhunderts waren exakt genauso gekleidet wie ihre Ahnen im 16.Jahrhundert. Zwischen 1300 und 1600 hat sich die Machart des nordeuropäischen Pflugs nicht verändert — eine Stabilität der Produktlebenszyklen, die den Herstellern das beruhigende Gefühl gegeben haben muss, dass ihr Handwerk sie überleben würde. Aber seit der Mitte des 19.Jahrhunderts werden diese Zyklen immer kürzer und untergraben das Zutrauen in langfristige Jobperspektiven.
Ganze Industriezweige brachen nach der Einführung neuer Produkte zusammen. Die Erfindung der Eisenbahn führte zum Niedergang der Wasserstraßen und Kanäle, das Verkehrsflugzeug machte dem Passagierdampfer den Garaus, der Kraftwagen verdrängte das Pferdefuhrwerk wie der PC die Schreibmaschine.
Der Innovationseifer des Marktes verführt die Industrie dazu, ihre Entwicklungskosten so weit in die Höhe zu treiben, dass das Überleben einer Firma manches Mal von der erfolgreichen Markteinführung eines einzigen Produkts abhängt. Solche Firmen erinnern dann an Spieler, die, statt sich nach einer Glückssträhne zurückzuziehen, gezwungen sind weiterzumachen, ihr ganzes Kapital und die Existenz ihrer Angestellten zu riskieren, um auch noch die nächste Runde zu gewinnen, und dabei entweder gewaltige Gewinne machen oder sich selbst zerstören.
5. Abhängigkeit von der Weltwirtschaft Das Überleben der Firmen und ihrer Angestellten hängt zudem von der ökonomischen Großwetterlage ab.
Seit dem frühen 19.Jahrhundert ist das Wirtschaftsleben der Industriestaaten vom zyklischen Wechsel zwischen Konjunktur und Rezession geprägt. Im Allgemeinen werden vier oder fünf Jahre des Aufschwungs von ein oder zwei Jahren des Niedergangs gefolgt, gelegentlich auch von Krisen, die sich über fünf oder sechs Jahre hinziehen. Graphisch dargestellt, ergibt sich für die Nationalökonomien das Bild einer zerklüfteten Bergkette. Jedes Tal verweist auf den Bankrott traditionsreicher Firmen, auf Massenentlassungen, Werkschließungen, Kapitalvernichtung. Es mag verlockend sein, diese Einbrüche nicht als Naturereignisse hinzunehmen, sondern in ihnen eine gesetzmäßige und eines Tages steuerbare Wirtschaftsdynamik zu vermuten. Trotz aller Anstrengungen von Seiten der Regierungen und der Zentralbanken jedoch wurde bisher kein zuverlässiges Mittel zur Verhinderung solcher Turbulenzen gefunden.
Jeder Zyklus verläuft nach einem ähnlichen Muster. Er beginnt damit, dass sich das Wirtschaftswachstum beschleunigt und die Unternehmen in den Ausbau ihrer Kapazitäten investieren, um die erwartete Nachfrage zu befriedigen. Mit den Produktionskosten steigen die Kapitalkosten, vorzugsweise die Aktienkurse und Immobilienwerte, die teilweise auch durch Spekulation in die Höhe getrieben werden. Die jetzt noch günstigen Kredite ermutigen zu kapitalintensiven Investitionen. Doch während sich die Nachfrage und die Produktion schon verlangsamen, steigt der Konsum weiter an, mit der Folge, dass die Ersparnisse schrumpfen und Konsumenten wie Produzenten
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