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Staub Im Paradies

Titel: Staub Im Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Solèr
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geht nicht mehr der Frage nach, wie man die Malaria am wirkungsvollsten eindämmen kann.
    Das sri-lankische Militär ist kurz nach Sonnenaufgang in Bataillonsstärke über Hamawella hergefallen, an seiner Spitze ein dreckverspritzter Panzerspähwagen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Seither gleicht das Forschungszentrum einem offen belagerten Feldlazarett. Grimmig dreinschauende Soldaten mit chinesischen Gewehren schwenken allerhand wichtigtuerische Dokumente voller bunter Stempel, separieren die Einheimischen von uns Weißen und verfrachten Rainer in einem Kunststoffsarg in den Panzerwagen.
    Der Tote würde umgehend ins Militärspital nach Colombo überführt, schnauzt mich ein gehässig wirkender Unteroffizier an, als ich mich höflich danach erkundige, was denn das werden solle mit diesem lachhaften Plastiksarg.
    Verasinghe, der wenige Minuten nach der Armee an diesem Ort der Konfusion eintraf, fragte wohl das Gleiche und handelte sich dafür einen Gewaltsanschiss ein, der ihn umgehend zum Schweigen brachte. Jedenfalls hält er sich seither unauffällig abseits und lässt die Militärs machen. Im Moment knöpfen sie sich gerade den armen Tschaggat vor. Ich höre, wie sie ihn im Wohnzimmer der Villa zusammenbrüllen. Die anderen einheimischen Mitarbeiter des Zentrums, von den Köchinnen und Gärtnern bis zu den hoch qualifizierten Wissenschaftlern, haben ihre Abreibung bereits hinter sich. Immerhin sind sie, soweit ich das beurteilen kann, nicht gefoltert worden.
    Uns Weiße hat sich die Militärbrut offensichtlich für den Schluss aufgespart. Wir stehen wie eine Herde verängstigter Schafe um den brummenden Hauptgenerator der Anlage herum und gucken planlos auf die Szenerie. ›Panisch‹ könnte man auch sagen. Denn in der schnell heißer werdenden feuchten Luft liegt eine Grundstimmung von Gewalt, die mich trotz der Wärme frösteln lässt.
    Kein Mensch lächelt, was in diesem Land wirklich Anlass zur Sorge bietet. Sämtliche Fragen, was denn überhaupt los sei, werden von den Militärs geflissentlich ignoriert. Drei schmächtige Jungs haben zwischen uns und den Einheimischen Stellung bezogen. Ich betrachte sie mit Sorge. Die chinesischen Knallbüchsen in ihren Händen gehen vermutlich leicht los.
    Ich kann nur hoffen, dass der Spuk vorbei ist, bevor der Rest meiner Familie eintrifft. Dummerweise habe ich Leonie gestern Nacht noch angerufen und über die Geschehnisse informiert.
    Sie schimpfte wie ein Rohrspatz und nannte mich einen chronischen Problemsucher.
    »Wo du hintrittst, sprießen die Toten wirklich aus dem Boden, Fred!«
    Dann kündigte sie mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete, an, sie käme am nächsten Morgen schnurstracks zu mir nach Hamawella.
    Ich bin sicher, dass sie bereits unterwegs ist. Einschüchtern lässt sich Leonie nicht, und wer weiß, vielleicht kann sie hier sogar etwas bewegen. Es ist ihr jedenfalls durchaus zuzutrauen, dass sie aus den Militärchefs verbal Kleinholz macht, sollten die ihr nicht den notwendigen Respekt entgegenbringen. Schon allein durch ihre entschlossene Stimme wäre sie imstande, die Knallköpfe Mores zu lehren.
    Oder auch nicht. Denn in Bürgerkriegen stirbt man leicht, so wenig man auch in sie involviert sein mag. Wenn es die Militärs danach gelüstete, könnten sie uns einfach niedermähen, verscharren und die komplette Mückenstation abfackeln. Wehren könnten wir uns kaum. Die einzige Waffe, die ich dabeihabe, ist die rote Büchse mit Anti-Brumm – und deren Wirksamkeit ist wirklich äußerst beschränkt, wie mir neue Pusteln an Unterarmen und Fußgelenken zeigen.
    Als Drahtzieher des Hinterhalts, dem Schütz zum Opfer fiel, böten sich die tamilischen Rebellen geradezu an, wer wollte schon das Gegenteil beweisen? Verasinghe vielleicht oder sein humpelndes Faktotum mit dem steifen Bein? Auf die zwei käme es im Fall eines Massakers sicher auch nicht mehr an.
    Verasinghe scheint der Sache jedenfalls auch nicht zu trauen. Als er wieder einmal auf leisen Sohlen durch das Gelände schreitet, vermeidet er es tunlichst, zu uns herüberzusehen, und starrt stattdessen mit halb geschlossenen Augen in den Dschungel, welcher das Zentrum umgibt. Im Unterschied zu nachts, als man hätte meinen können, irgendwelche Affen feierten eine Orgie, dringt heute Morgen kaum ein Ton aus dem grünen Dickicht. Dafür ziehen dunkle Wolken über die Forschungsstation und ein Streifenhörnchen balanciert über eine Stromleitung.
    Meine Tochter, auch nicht gerade mit

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