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Staub Im Paradies

Titel: Staub Im Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Solèr
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einer Engelsgeduld ausgestattet, bewegt ihre zweiundfünfzig Kilo nervös von einem Fuß auf den anderen und blickt immer wieder unruhig in Richtung Haupthaus, in dem immer noch ihr Freund bearbeitet wird.
    »Was die nur von ihm wollen?«, regt sie sich auf.
    »Ich hab keinen Schimmer, Anna«, antworte ich wahrheitsgemäß. »Vielleicht ist das hier die übliche Vorgehensweise in Sri Lanka.«
    »Sie sind sauer«, äußert sich ungefragt einer der Schweizer Forscher in breitestem Baslerdeutsch, ein älterer Herr namens Hugentobler mit schlohweißem Haar und einem großen, grauen Schnauz, der es sich mit ausgestreckten Beinen und einer Zigarre im Mundwinkel auf einem Klappstuhl bequem gemacht hat. »Die Rebellen haben heute Morgen den Militärflugplatz von Colombo bombardiert. Mit zwei kleinen Propellerflugzeugen. Sie sollen dabei großen Sachschaden angerichtet, drei Soldaten getötet und mehrere zum Teil schwer verletzt haben. BBC World hat das im Radio gemeldet.«
    »Und was kann der tote Rainer dafür?«, frage ich ihn nicht allzu freundlich, denn ich beneide den Kerl schon seit geraumer Zeit um seinen Klappstuhl. Das Herumstehen hat mich längst madig gemacht.
    »Nichts natürlich«, lächelt Hugentobler salbungsvoll. »Aber es könnte die allgemeine Nervosität erklären.«
    Aus dem Haupthaus dringt plötzlich die Stimme Tschaggats. Auch er kann überraschenderweise sehr laut reden, wenn es sein muss. Und ganz offensichtlich muss es in diesem Moment sein. Ich versuche zu verstehen, was er von sich gibt, scheitere aber natürlich kläglich.
    »Sein Onkel war einst selbst ein hoher Militär. Und der Vater der Frau seines Bruders ist sogar Minister«, erzählt mir Anna. »So was macht hier immer enormen Eindruck!«
    »Na, wollen wir’s hoffen«, sage ich mit zweiflerischer Miene. »Ist er im Polizeiministerium?«
    »Nein, er ist stellvertretender Minister für Fischerei«, sagt Anna. »Aber das ist egal. Was zählt, ist der Titel.«
    »Dass ich Professor bin, interessiert aber erstaunlicherweise niemanden«, moniert Hugentobler.
    Ich sehe mich gezwungen, ihn darauf hinzuweisen, dass er immerhin als Einziger von uns einen Klappstuhl unter seinem Hintern hat.
    »Ich hab vermutet, dass das dauern könnte«, verteidigt er sich. »Und ich hatte vor eineinhalb Jahren einen wüsten Bandscheibenvorfall im Bereich der oberen Lendenwirbel zu beklagen, lieber Herr Staub!«
    »Ich hatte vor geraumer Zeit Paradontose, werter Herr Professor Hugentobler«, ätze ich zurück.
    In diesem Moment stürzt Tschaggat aus dem Haus, offensichtlich sehr erbost. Mit schnellen Schritten läuft er an den Maschinenpistolenjungs vorbei zu uns herüber und verwirft entnervt die Hände. Wenn ich das trotz seiner dunklen Hautfarbe richtig sehe, ist sein Gesicht stark errötet. Anna betrachtet ihn besorgt mit leicht schrägem Kopf – eine für sie typische Körperhaltung in schwierigen Situationen.
    »Was wollen die Soldaten denn?«, frage ich ihren Liebling.
    »Sie werden es euch gleich selbst mitteilen«, antwortet Tschaggat mit mühsam kontrollierter Stimme und streift Anna mit einen resignierten Blick. Offenbar schämt er sich zutiefst für das Vorgehen seiner Landsleute.
    Meine Tochter schenkt ihm ein aufmunterndes Lächeln. Kurze Zeit später werden auch wir Weißen in das Haus gescheucht. Man dirigiert uns in den großen Salon, wo der kleine, wichtige Militär, mit dem ich bereits am Tatort das Vergnügen hatte, bequem in einem Korbsessel hängt und über der Stellung eines Schachspiels auf dem niedrigen Holztisch vor ihm brütet.
    »Spielt jemand von Ihnen Schach?«, will er wissen, ohne uns anzuschauen. »Weiß ist am Zug!«
    »Läufer E5«, antwortet Hugentobler knapp nach einem kurzen Blick auf das Brett.
    Der Militär lächelt schwach. »Bedenken Sie bitte den Bauern auf H7!«
    Hugentobler greift in seinen Schnauz und denkt nach.
    »Sie haben recht«, sagt er schließlich. »Läufer auf E5 wäre Selbstmord in Raten. Nur, was sonst?«
    Der Militär dreht seinen Kopf in unsere Richtung und strahlt uns an.
    »Denken Sie gemeinsam nach, Sie sind doch Wissenschaftler, oder?«
    »Sind wir hier zu einem gemütlichen Schachplausch zusammengekommen?«, frage ich den Mann sarkastisch.
    Er bestraft mich mit einem bitterbösen Blick.
    »Ihr von den Tigers erschossener Freund war ein blendender Spieler«, äußert er sich dann. »Wirklich hervorragend!«
    »Waren es denn wirklich die Tamilen?«, unke ich.
    Der Mann holt tief Luft und deklamiert

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