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Staub Im Paradies

Titel: Staub Im Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Solèr
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kommen, um die widerspenstige Anna zu beruhigen. Vermutlich mag es der Mann nicht besonders, wenn man ihm Inkompetenz unterstellt.
    Doch der Militär strahlt mich nur siegestrunken an, als ich an ihm vorbeihasten will. Plötzlich krächzt eine Stimme aus dem Funkgerät an seinem Gürtel. Er bedeutet mir stehen zu bleiben, zieht noch einmal genüsslich an seiner Zigarre und schreit dann nach einem seiner Lakaien, der umgehend heranstolpert und ihm ein Fernglas reicht. Der Militär starrt eine Weile durch das Objektiv, gibt das Gerät seinem Untergebenen zurück und greift dann zu seinem Funkgerät.
    »Let them pass!«, spricht er gönnerhaft.
    Kurz darauf klettern Leonie, Adrienne und Per aus einem Minitaxi, das von einem verschüchtert wirkenden Jüngling gesteuert wird, der sofort wieder kehrtmacht, als er seine Fracht losgeworden ist.
    »My family«, erkläre ich dem Militär, während Anna bereits auf die drei Neuankömmlinge zustürzt, um sie zu umarmen.
    »Your wife?«, vergewissert sich der Mann und belinst interessiert die gute Leonie, die mit ihrem modischen orangefarbenen Hut aussieht wie die junge Queen auf Staatsbesuch.
    »Yes. And my son and his girlfriend«, erläutere ich.
    Er befiehlt daraufhin, man möge das Gepäck des Besuchs in das Haus tragen und für die Damen Tee zubereiten.
    Erst kurz vor Sonnenuntergang zieht sich das Militär zurück. Nicht ohne dass General Premadasa, wie der Schach spielende Oberzampano offenbar heißt, nochmals lautstark bedauert, wie unendlich man das Attentat der feigen Rebellen auf unseren Landsmann verurteile.
    Als ich ganz sicher bin, dass die Soldaten wirklich verschwunden sind, mache ich mich auf die Suche nach Verasinghe. Ich finde ihn schnarchend in seinem Jeep. Als ich ihn sanft anstupse, fährt er auf wie von der Tarantel gestochen und greift blitzschnell zu der Pistole an seinem Gürtel.
    »Ach, Sie sind es«, erkennt er mich zum Glück rechtzeitig und bittet mich auf den Beifahrersitz.
    Er nestelt umständlich an seinem Hosenbund herum und bringt schließlich die Gewehrkugeln, die in Rainer Schütz’ totem Körper verblieben waren, zum Vorschein. Sie glänzen matt in seiner überraschend hellen Handinnenfläche.
    »Tschaggat hat mir berichtet, Sie hätten ihn gezwungen, die Kugeln aus Rainers Leichnam herauszuoperieren«, sage ich mit einem leisen Vorwurf in meiner Stimme.
    »Sonst wären sie jetzt garantiert weg«, meint Verasinghe gleichgültig.
    Damit hat er natürlich recht.
    »Die Patronenhülsen hat sich Premadasa leider unter den Nagel gerissen. Dabei möchte ich einfach zu gern wissen, aus welcher Art von Gewehr geschossen wurde«, fährt mein sri-lankischer Kollege fort. »Sie nicht?«
    »Doch, klar«, gebe ich zu.
    »Leider existieren diese Kugeln offiziell nicht«, meint er daraufhin zerknirscht.
    »Wir haben in Zürich einen Kriminaltechniker, der ziemlich gut ist. Vielleicht sollten wir ihm die Kugeln einfach schicken?«, schlage ich vor.
    Verasinghe lächelt und schüttelt zustimmend den Kopf: »Ich bin sicher, Sie sind ein sehr guter Polizist in Ihrem Land.«
    »Sie machen sich auch nicht schlecht«, antworte ich großmütig. »Das Militär auszutricksen braucht sicherlich Mut.«
    »Hohlköpfe«, meint er mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Vor allem dieser General Premadasa. Vor dem Krieg waren solche Leute nichts. Und nach dem Krieg werden sie wieder nichts sein. Genau wie die fanatischen Buddhistenmönche auf unserer Seite oder die tamilischen Kriegsgurgeln.«
    »Schön für sie alle, dass es den Krieg gibt«, bemerke ich zynisch.
    »Mein Neffe Hiran ist vor zwei Wochen gefallen in dieser Tragödie«, erzählt mir Verasinghe ungefragt und seine Stimme klingt bitter. »Er war zwanzig Jahre alt, wurde zwangsrekrutiert und starb in einer Teestube vor Batticaloa, als sich eine junge Tamilin neben ihm und seinen Kameraden in die Luft sprengte.«
    »Das tut mir sehr leid«, sage ich bestürzt.
    Anschließend sitzen wir lange Zeit schweigend und reglos in seinem Wagen und sehen zu, wie schnell es um uns herum dunkel wird. Die Sonne versinkt wie ein glühender Stein hinter den Hügeln. Aus dem Dschungel erklingen die ersten Geräusche, die für sri-lankische Nächte so typisch sind. Ein Moskito lässt sich auf meinem Handrücken nieder. Ich verscheuche ihn durch ein kurzes Zucken, denn ich verspüre keinerlei Lust, ihn einfach zu erschlagen.
    »Vor dreißig Jahren hätten sie noch geheiratet, Leute wie mein Neffe und dieses Tamilenmädchen«,

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